„Militärisch, rechts blind“

Wissenschaftler mit harter Kritik am Coburger Convent

Von Fajsz Deáky, Coburger Tageblatt, Montag, 01.07.2024

Coburg – Stadt und CC vertragen sich seit 2024 wieder besser. Aber ein Coburger Kulturwissenschaftler kritisiert den Coburger Convent jetzt deutlich - auch in seinem Wesen und Selbstverständnis.

Missstimmungen wie in der Vergangenheit schienen fast vergessen zwischen Stadt und CC in diesem Jahr. Es gab keine Seitenhiebe mehr gegen den OB und auch Dominik Sauerteig wählte in seiner Rede beim Festkommers versöhnlichere Töne. Doch jetzt gibt es weiter Kritik am CC – und zwar gleich am kompletten Wesen des Coburger Convents. Die kommt vom Coburger Kulturwissenschaftler Hubertus Habel.

Habel hinterfragt Traditionen und das Selbstverständnis des CC. Dazu habe er, schreibt er, Fackelzug und Feierstunde betrachtet: „Diesen komplexen, den CC-Kongress abschließenden Höhepunkt habe ich mir genau angesehen und die Rede mitgeschnitten, um auch sie als Quelle des CC-Erscheinungsbildes analysieren zu können.“ Seine Schlüsse: Der CC sei in seinen Ritualen gefangen, sie seien militärisch, Habel kritisiert, dass der CC sich durchgehend auf seinen „akademischen“ Hintergrund berufe, bei seiner Selbstdarstellung nur die Faktoren herauspicke, die in sein Bild passen. Und – der CC sei in seiner Führung „rechts blind“.

“ (...) durch NS-verherrlichende Parolen und Äußerungen bis in die Verbandsführung kontaminiert (...) ”
Hubertus Habel Kulturwissenschaftler, Coburg

Zu den Aussagen im Einzelnen: Habel kritisiert den immer wiederkehrenden Verweis auf das akademische Wesen des CC als „ungebührlich anmaßend“. Das sei ein Zusammenhang, der in der Vergangenheit bestanden habe. „Von einer wenigstens annähernden Gleichsetzung korporierter mit allen Studenten kann allenfalls für das frühe 19. Jahrhundert im Kontext der Jenaer Ur-Burschenschaft bis zum 1819er-Verbot studentischer Verbindungen infolge der ‚Karlsbader Beschlüsse‘ gesprochen werden.“ Heute sei das Verwenden des Adjektivs „akademisch“ ein Selbstzweck, schreibt Habel. Der Festredner auf dem Marktplatz zu Pfingsten 2024, Matthias Mangold, reklamiere „mit der notorischen CC-Verknüpfung von ,akademisch´ mit, Freiheit implizit das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit und spricht somit jeder Kritik die´ Legitimation ab.“

„CC in der Opferperspektive“

Habel setzt zudem einige der Äußerungen von Mangold in den Fokus – und beschreibt Elemente daraus als „Rosinenpickerei“, die der Rechtfertigung des CC und seines Wirkens dienten. Der CC sehe sich selber aus der „Opferperspektive, weil die CC-Kongressteilnehmer seit Jahrzehnten ebenfalls wie heute von den lautstarken und mit Intoleranz und Gewalt gegen uns Demonstrierenden als ewig Gestrige beschimpft‘ würden“, zitiert Habel aus der Rede. Zudem habe Mangold alle Gegendemonstranten in einen Topf geworfen – und das mit Wladimir Putin. Habel zitiert aus der Rede: „Wer nicht unterscheiden kann zwischen einer politischen Demonstration und einem akademischen Brauch und uns Nazis nennt, also einen Begriff verwendet, mit dem ein russischer Imperialist einen Angriffskrieg in Europa beginnt und seit über zwei Jahren rücksichtslos führt, hat seine politische und moralische Integrität verspielt.“ Der Redner setze also ALLE Gegendemonstranten gleich, auch wenn die Demos angemeldet und genehmigt gewesen seien. Der Angriff eines CC-Teilnehmers mit einer Fackel auf einen Pressefotografen 2023 bleibe unerwähnt.

„Dass der CC durch NS-verherrlichende Parolen und Äußerungen bis in die Verbandsführung kontaminiert ist, verschweigt der Redner, der die beklagte, innenpolitische […] Radikalisierung´ nur links erkennt“, schreibt Habel zudem.

Dem CC wird häufig vorgeworfen, rechtes Gedankengut zu tolerieren und in seinen Reihen zu dulden. Man habe zwar darauf verwiesen, dass die ursprünglich präsidierende Landsmannschaft Thuringia Berlin das Präsidium „zurückgegeben“ habe. Das „verschleiere“, dass das CC-Ehrengericht die Thuringia faktisch vom Pfingstkongress suspendiert habe, nachdem in deren Kreisen ein Hitlergruß gerufen worden sei. Und auch das Präsidium habe nichts gegen solches Gedankengut getan oder die eigene Vergangenheit aufgearbeitet. Habel bezieht sich hier auf Karl Vialon. Vialon war während des Zweiten Weltkrieges Ministerialrat im Reichskommissariat Ostland im Dritten Reich. Er war dort unter anderem für die „Sicherung der jüdischen Vermögenswerte“ verantwortlich, also das Rauben von Möbeln oder Wertgegenständen, aber auch das Verwalten von Textilien, die die Opfer vor Massenerschießungen ausziehen mussten. Hans-Georg Schollmeyer, bis 2023 CC-Kongressbeauftragter, habe Vialon 2018 als „honoriges“ Mitglied des CC bezeichnet.

Fackelzug eine „politische Demo“

Insgesamt urteilt Habel auch, sei der Pfingstmontagabend eine „lupenreine politische Demonstration“, die gesamte Symbolik mit „Coburger Marsch“ und „Großem Zapfenstreich“ strotze vor militärischen Elementen. Das Marschieren am Montagabend, die Fackeln, das Tragen von Waffen – all das solle man Hinterfragen. Denn werte man all das als politische Demonstration, sei sie „angesichts alkoholisierter Teilnehmer, mit Waffen und nicht nur emissionsrechtlich gefährlichen Fackeln wohl nicht nach Demonstrationsrecht genehmigungsfähig“.

AUF ANFRAGE UNSERER REDAKTION HAT DER CC EINE STELLUNGNAHME AB DIENSTAG ANGEKÜNDIGT.


Interview mit Hubertus Habel zum Coburger Convent

„Der CC baut Kulissen auf, die demokratisch aussehen sollen“

Von Fajsz Deáky, Coburger Tageblatt, Montag, 01.07.2024

Coburg – Der Coburger Kulturwissenschaftler Hubertus Habel hat in einem offenen Beitrag den CC schwer kritisiert. Aber warum? Und warum jetzt?

Wieso die Kritik ausgerechnet jetzt, nachdem sich Stadt und CC in diesem Jahr deutlich angenähert haben?

Ich setze mich seit rund drei Jahren mit dem Thema auseinander, habe seitdem auch Vorträge beim und über den CC gehalten. Zudem habe ich die Mails der Antifa ausgewertet, die interne Kommunikation innerhalb des CC darstellten. Und ich habe mich gefragt: Welches Selbstverständnis herrscht im CC? Und ich konnte nur zu dem Ergebnis kommen, dass das veröffentlichte Erscheinungsbild nichts mit der Realität zu tun hat. Der CC baut Kulissen auf, die zeitgemäß und demokratisch aussehen sollen. Und als Demokrat, Kulturwissenschaftler und Bürgerrechtler habe ich diese Erkenntnisse veröffentlicht.

Sie beziehen sich unter anderem auf die Mails des CC, die von der Antifa geleakt worden sind. Wie sehr trauen sie diesen Inhalten? Dass die Antifa auch eine politische Position in dieser Diskussion hat, ist bekannt.

Ich habe die Inhalte der Mails alle gegengecheckt. Zum Bespiel dort, wo es um Karl Vialon geht, der ein hochgradiger Holocaust-Mittäter war. Als ein CC-Mitglied anregte, sich mit dessen Geschichte auseinanderzusetzen, hat Schollmeyer (anm. d. Red.: Hans-Georg Schollmayer, bis 2023 Kongressbeauftragter der CC) dieses Mitglied einfach als „ehrlos“ betitelt und ein Ehrengerichtsverfahren gegen den Mann angestrengt. Vialon aber sei ein ehrenwerter Mann gewesen. Jemand, der an einem Völkermord beteiligt war? Das alles war übrigens 2018. Zurückgetreten, meines Erachtens „zurückgetreten worden“, ist Schollmeyer erst 2023 – wenn sie mich fragen, als Bauernopfer nach der Veröffentlichung der E-Mails.

Der CC argumentiert, etwas wie der Fackelzug beruhe auf Traditionen. Ist etwas falsch daran, an Traditionen festzuhalten?

Auch Traditionen muss man hinterfragen, was der CC nicht tut. Die Symbolik dieses Fackelzuges ist ein wichtiger Faktor. Erstens: Laut CC wird die Fackel als Symbol der Freiheit getragen. Das ist eine Vereinfachung. Sie ist das Symbol der intellektuell emanzipativen Aufklärung und somit auch der grundgesetzlich verankerten Wissenschaftsfreiheit, nicht jedoch das jedweder Freiheit. Aber der allgemeine Freiheitsbegriff dient dem CC zu seiner Selbstwahrnehmung und -darstellung. Zudem haben auch Fackelzüge in der Vergangenheit nicht nur im Zusammenhang mit der Freiheit stattgefunden. In Coburg werden zur Kundgebungsrede die Fackeln zentral verbrannt. Es gab „akademische“ Fackelzüge, an deren Ende auch etwas verbrannt wurde: Bücher. Der Fackelzug zur Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933 in Berlin etwa zog von der Uni zum Opernplatz. Am Ende wurden Bücher von NS-Gegnern verbrannt. Dann hielt Fritz Hippler eine Hetzrede – dieser Hippler war später Reichsfilmintendant und Regisseur des Hetzfilms „Der ewige Jude“. Und er war Mitglied in der Landsmannschaft Teutonia Heidelberg, der Landsmannschaft Arminia Berlin und des CC.

Also richtet sich ihre Kritik am CC hauptsächlich an den Fackelzug?

Nicht nur. Nehmen Sie das Ehrenmal, an dem der CC Jahr für Jahr sein Gedenken abhält. Es heißt ja immer, das sei ein Denkmal des Friedens, das als Mahnung für alle Opfer von Krieg und Gewalt stehe. Das stimmt nicht. Das Schwert, das die Figuren halten, wird nicht hochgereckt, sondern empfangen. Es senkt sich vom Himmel herab, es ist heilig. Und es ist zum Kampf gedacht. In der Denkmalurkunde steht der Satz „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen.“ Aktuell steht Björn Höcke von der AfD für den SA-Leitspruch „Alles für Deutschland“ vor Gericht. Ideologisch gesehen passt zwischen diese beiden Sätze kein Blatt Papier.

Aber was wollen sie jetzt mit ihrer Kritik erreichen? Soll es Pfingstkongress und Fackelzug nicht mehr geben?

Ich bin ein Verfechter von Menschen- und Grundrechten, also auch der Versammlungsfreiheit. Aber ich wehre mich gegen eine pompöse politische Demonstration, die die ganze Stadt vereinnahmt. Die Marschroute, seit Jahrzehnten dieselbe vom Anger über Löwen-, Mohrenstraße und Spitalgasse zum Markt, greift so weit aus, dass der CC mit dem Fackelmarsch das Stadtgebiet zu nächtlicher Stunde physisch, visuell, akustisch und nicht zuletzt emissionsmäßig besetzt: nicht nur symbolisch, sondern faktisch okkupiert. Auch das Verständnis des CC gegenüber der Stadt kritisiere ich. Man hat das an Äußerungen in der Vergangenheit gesehen, mit Begriffen wie „Azubi“, die in Richtung des OBs gefallen sind. Der CC sieht sich in Coburg nicht als Gast. Auch wenn Schollmeyer nicht mehr im Amt ist – dem CC ist es immer noch egal, wer unter ihm Oberbürgermeister ist.

AUF ANFRAGE UNSERER REDAKTION HAT DER CC EINE STELLUNGNAHME AB DIENSTAG ANGEKÜNDIGT.