Samstag, 22.02.2025

Am 24. Januar hat das Berliner LKA Razzien wegen des Vorwurfs der Fortführung der 2009 verbotenen Naziorganisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) unter dem Namen „Jungadler“ durchgeführt. Das Kürzel JA ist praktischerweise für ein Verbotsverfahren gerade verfügbar, nachdem sich die Junge Alternative (JA) Anfang Februar in Apolda selbst aufgelöst hat.
Die Razzien fanden bei Oberstaatsanwalt Günter Handke statt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Handke hat die Razzien nicht geleitet, er ist der Beschuldigte. Durchsucht wurden sein Büro in Brandenburg (Havel) sowie zwei benachbarte Häuser in Berlin Zehlendorf: Handkes Haus und das seiner Eltern.
Günter Handke lebt mit seiner Ehefrau, die bei der HDJ unter ihrem Geburtsnamen Mandy Böttiger bekannt war, in der Straße Am Fischtal, Hausnummer 68. In der gleichen Straße liegt auch das Elternhaus der Handkes, Hausnummer 76c. Mit dieser Adresse stand Günter Handke vor rund zehn Jahren auf der Mitgliederliste der Schülerverbindung „Iuvenis Gothia Berlin“.
Die Berliner Schülerverbindung wurde 1981 aus dem Umfeld der „Berliner Burschenschaft Gothia“ in der „Deutschen Burschenschaft“ gegründet und pflegt das „Lebensbundprinzip“. Die „Junggothen“ haben ihre „Konstante“ ebenfalls in Zehlendorf, „auf dem Haus“ der „Burschenschaft“ in der Königstraße 3. Der kleine Günter musste von seinem Elternhaus nur 6 Minuten am Zehlendorfer Fischtalpark und Friedhof entlangradeln, um als Gymnasiast zum „Gothenhaus“ zu gelangen.
Die Adresse von Handkes Elternhaus ist auch jene der Berliner Kanzlei des AfD-Anwalts Laurens Nothdurft, dessen Vater Joachim früher sachsen-anhaltinischer Landesvorsitzender der „Deutschen Sozialen Union“ (DSU) war. Laurens brachte seinen Nachnamen in die Ehe mit Hildegard Handke ein, der Schwester von Günter Handke. Hildegard und Laurens haben sieben Kinder, die der gemeinsamen völkischen Ideologie geschuldet sein dürften. In der Ausgabe 04/2009 des Berliner Antifamagazins fight.back hieß es kurz nach dem Verbot zum „Führungspersonal der HDJ“:
„Der Verein ist im Vereinsregister der norddeutschen Kleinstadt Plön eingetragen, agierte jedoch vor allem von Berlin aus. Die Verbandszeitung ,Funkenflug‘ und die HDJ selbst waren über ein Berliner Postfach erreichbar. Die Bundesführung ist fast komplett in Berlin-Brandenburg ansässig und besteht aus dem Bundesführer, seinem Stellvertreter, der Bundesmädelführerin, dem Bundeskassenwart sowie den Mitarbeitern.
Zu den Mitarbeitern der Bundesführung gehören entsprechend der Vereinssatzung die Ämter des Bundesgeschäftsführers, der Leitstellenführer, des Bundesfahrtenführers, des Pressereferenten sowie der Pressesprecher der Familien- und Freundeskreise (FFK) und des Leiters der Abteilung Beschaffung. Zeitweilig wurde eine Einstellung der Arbeit der HDJ Familien- und Freundeskreise (FFK) angekündigt, vermutlich um das HDJ-Verbot zu erschweren.
Das letzte Führungspersonal übernahm seine Ämter auf dem Bundesjugendtag der Vorgängerorganisation ,Die Heimattreue Jugend e.V.‘ (DHJ) am 25. April 1999 in Berlin-Pankow. Die DHJ war zu diesem Zeitpunkt fast bedeutungslos im extrem rechten Spektrum und verfügte nur noch über einen kleinen Kreis von Aktiven.
Der Generationswechsel wurde maßgeblich durch den neuen Bundesführer Alexander Scholz (Berlin, 2002 bei Verkehrsunfall verstorben) und seinen Stellvertreter Laurens Nothdurft (angehender Jurist aus Berlin) vollzogen. In den weiteren Funktionen wurden Hildegard Handke (später Nothdurft) als Bundesführerin der Mädchen und Michael Gellenthin (Berlin-Pankow) als Bundesgeschäftsführer gewählt. Als Verantwortliche für die Bundeskasse wurde Alexandra Aßmann ernannt.
Nach außen wurde der Wechsel mit der Umbenennung des Vereins in ,Heimattreue Deutsche Jugend e.V.‘ am Bundesjugendtag am 3. Oktober 2001 beendet. Als der bisherige Bundesführer Alexander Scholz am 6. Februar 2002 bei einem Verkehrsunfall in Berlin verstarb, wurde die kommissarische Führung des Jugendverbandes bis zum Bundesjugendtag 2002 von Laurens Nothdurft übernommen.
Auf dem Treffen wurde Sebastian Räbiger aus dem brandenburgischen Reichenwalde zum neuen Bundesführerder Heimattreuen Deutschen Jugend gewählt, der dieses Amt bis zum heutigen Tage innehat. Als letzter Gauführer der sächsischen Wiking-Jugend verfügt Räbiger über jahrelange Erfahrung und Verbindungen in der völkischen Jugendarbeit.
Als Stellvertreter wurden Laurens Nothdurft und Michael Gellenthin als Bundesgeschäftsführer gewählt. Das Amt der Bundesmädelführerin hatte für die folgenden Jahre Hildegard Nothdurft (geboren Handke) inne, die schließlich 2005 durch die heutige Bundesführerin der Mädchen Holle Böhm aus dem brandenburgischen Hohen Neuendorf ersetzt wurde.“

Dreisterweise hielt Günter Handke 2014 als Referent für die Staatsanwaltschaft Potsdam einen Vortrag zum Thema „Rechtsextremismus als pädagogische Herausforderung“ für „Lehrkräfte und weitere pädagogische Fachkräfte aus der Jugendarbeit“ im Haus der Jugend Potsdam.
Vorgeworfen wird Handke, die HDJ als Mitglied oder Unterstützer fortgeführt zu haben. Angezeigt wurde er von seiner Ehefrau, die sich kürzlich von Handke getrennt hat, und weiteren Familienmitgliedern wegen Bedrohung und gewalttätiger Übergriffe, auch gegenüber Kindern. So kam das LKA an umfangreiche digitale Kommunikation sowie Beweise für die Existenz der Naziorganisation „Jungadler“.
Zuerst hat die Springer-Presse von der Razzia am 24. Januar erfahren, die fand ja schließlich in den Räumen der Generalstaatsanwaltschaft statt. Daraufhin berichteten am 28. Januar BILD Berlin und BZ Berlin. Am 21. Februar haben das RBB-Magazin Kontraste und Zeit Online (Archiv) ausführliche Recherchen zu dem Fall veröffentlicht.
Auf der Mitgliederliste, die Günter Handke als „Alten Herren“ der „Iuvenis Gothia Berlin“ auszeichnet, stand er mit der Adresse seines Elternhauses: Am Fischtal 76c, heute wohnt er in der Hausnummer 68. In der Liste gibt es noch einen weiteren „Gothen“ in Handkes Straße, Hausnummer 86, schräg gegenüber eines kleinen Stichwegs von dem Elternhaus gelegen. Hier wohnen Heidrun und Horst Spielmann, der heutiger erster stellvertretender Vorsitzender des „Altherrenverbands der Berliner Burschenschaft der Märker e.V.“ – die „Berliner Burschenschaft der Märker“ ist wie die „Gothia“ in der „Deutschen Burschenschaft“ organisiert.
Horsts Sohn Hagen Spielmann wurde 2010 „Fux“ bei der „Burschenschaft Hilaritas Stuttgart“, die damals noch DB-Mitglied war. Er schrieb in seiner Vorstellung an die „Bundesbrüder“: „Meine Eltern sind Heidrun und Horst Spielmann und wohnen in Berlin-Zehlendorf. Mein Vater arbeitet im Amt für öffentliche Vermögensfragen in Brandenburg an der Havel, wo er für die Rückgabe der in der DDR enteigneten Grundstücke zuständig ist. Er ist Mitglied der Berliner Burschenschaft der Märker sowie der Burschenschaft Gothia Berlin.“
Update: In einer früheren Version hatten wir von zwei Adressen in der Straße Am Fischtal geschrieben: 76c und 86. Tatsächlich handelt es sich jedoch um drei Adressen: 68 (Günter Handke, Razzia), 76c (Handkes Eltern und Nothdurfts Kanzlei, Razzia) und 86 (Horst Spielmann, keine Razzia).