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Montag, 01.07.2024
Am 29. und 30. Juni fand in Essen der 15. Bundesparteitag der AfD statt. Bereits am Vorabend gab es eine Rave-Demo unter dem Motto „Bass gegen Hass“, an der sich etwa 5.000 AfD-GegnerInnen beteiligten. Am 29. Juni blockierten und störten um die 7.000 AntifaschistInnen trotz brutaler Polizeigewalt die Anreise der AfD-Delegierten. Der Parteitag konnte erst mit deutlicher Verspätung und unter 600 verstörten AfD-Delegierten starten. Zeitgleich mit dem Beginn des Parteitags begann die Essener Großdemo gegen die AfD mit um die 70.000 TeilnehmerInnen.
Die Versammlungsleiter des AfD-Parteitags (Tagesordnung) waren Julian Flak und Krzysztof Walczak. Am 29. Juni wählte die AfD ihren neuen Bundesvorstand. BundessprecherInnen bleiben [Tino Chrupalla>mot3183] und Alice Weidel, stellvertretende Bundessprecher wurden Stephan Brandner, Peter Boehringer und Kay Gottschalk, letzterer setzte sich gegen Dirk Spaniel durch. Bundesschatzmeister bleibt Carsten Hütter, als stellvertretender Bundesschatzmeister wurde Alexander Jungbluth von der Naziburschenschaft der „Raczeks Bonn“ gewählt, der inzwischen auch im Europaparlament sitzt. Der Schriftführer ist Dennis Hohloch und als Beisitzer wurden Marc Jongen, Martin Reichardt, Dirk Brandes, Heiko Scholz, Roman Reusch und Hannes Gnauck gewählt.
Am 30. Juni wählte die AfD die RichterInnen für ihr parteiinternes „Bundesschiedsgericht“. Erster Bundesschiedsrichter wurde Martin Braukmann, zweiter Bundesschiedsrichter wurde der Naziburschenschafter Christian Wirth und dritter Bundesschiedsrichter wurde Lothar Maier. Als vierter Bundesschiedsrichter wurde Christoph Wichardt gewählt, als fünfter Bundesschiedsrichter Peter Ditges und als sechste Bundesschiedsrichterin Nicole Günther. Ersatzschiedsrichter wurden in Essen nicht gewählt.
Der Bundesvorstand gab nach einer Satzungsänderung, die ihm erst die Kompetenz dazu gab, den beschlossenen Austritt aus der ID-Partei bekannt. Zum Ende des Parteitags wurden eine „Resolution zur Außenpolitik“ und eine Resolution „Für ein Europa des Friedens“ in geänderter Fassung angenommen.
Während des Parteitags hatten einige AfD-nahe Gruppierungen und Firmen Infostände in der Essener Grugahalle aufgebaut. Die „Vermarktung dieser Ausstellungsflächen“ übernahm die „parteieigene Alternita Dienstleistungs-GmbH“, einer 2021 als hundertprozentige Tochter des AfD-Bundesverbands gegründeten Firma.
Zu den Ausstellern gehörten die „Junge Alternative“, die „Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer“, die „Arbeitsgruppe Frauen in der AfD Nordrhein-Westfalen“, die „Christen in der AfD“, die „Desiderius-Erasmus-Stiftung“, der „Deutscher Akademiker-Verband“ der Korporierten in der AfD, die „Initiative freiheitlich-konservativer Frauen Deutschlands“, der Verein „Mit Migrationshintergrund für Deutschland“ und das „Mittelstandsforum für Deutschland e.V.“. Außerdem betrieben die „AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag“ und die „AfD-Fraktion im Landschaftsverband Rheinland“ sowie „Krautzone“ und „Blutdruck-Verlag“, die „WLD Service- und Vertriebsgesellschaft mbH“ mit dem „AfD-Fanshop“ und die Firma „Busko Jezero Development d.o.o. / Goldsee-Residenzen“ Infostände.
Zu Archivzwecken veröffentlichen wir neben dem finanziellen Teil des vorläufigen Tätigkeitsberichts 2023 noch das ungeschwärzte Antragsbuch des 15. Bundesparteitags und das Protokoll des 14. Bundesparteitags, der am 28. Juli 2023 in Magdeburg stattfand. -
Dienstag, 02.07.2024
Die AfD Bayern darf nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts München (PM als PDF) als Gesamtpartei vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz überwacht werden:
„Die 30. Kammer des Verwaltungsgerichts München kam aufgrund einer dreitägigen mündlichen Verhandlung und Auswertung des viele tausend Seiten umfassenden Materials zu dem Ergebnis, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD bestehen.“
Das Münchner Gericht wies eine Klage des bayerischen Landesverbands der AfD am 1. Juli zurück. Gegen das Urteil kann die Nazipartei noch in Berufung gehen. Die Kammer stellte die Rekrutierung von Spitzeln anheim:
„Die Kammer kam bei Auswertung der Belege im Einzelnen sowie in der Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass eine Beobachtung verhältnismäßig ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz auch das BayLfV die AfD beobachtet. […] Da die Voraussetzungen für eine Beobachtung der AfD durch das BayLfV zu bejahen sind, ist auch die grundlegende Voraussetzung für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel eröffnet.“
Presse: BR1 | BR2 | SZ] | taz | SPON -
Mittwoch, 03.07.2024
Die Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Jena hat am 1. Juli ein umstrittenes Urteil im Prozess gegen die Nazikampfsportgruppe „Knockout 51“ verkündet. Leon Ringl wurde zu drei Jahren und zehn Monaten, Bastian Adams zu zwei Jahren und sechs Monaten, Maximilian Andreas zu zwei Jahren und zwei Monaten und Eric Krempler zu eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Bundesanwaltschaft hatte deutlich höhere Strafen gefordert. Wenig überraschend legte der Generalbundesanwalt Revision beim Bundesgerichtshof ein.
Zwar beschrieb das Gericht die NPD-nahe Gruppe als „gewaltbereite, neonazistische Vereinigung mit demokratiefeindlichen Zielsetzungen“, verneinte jedoch eine Ausrichtung auf „Mord und Totschlag“. Deswegen wurde die Nazigruppe zwar als „kriminelle“ (§ 129 StGB), nicht jedoch als „terroristische“ (§ 129a StGB) Vereinigung gewertet. Lapidar gesagt: das Gericht wollte nicht glauben, dass die Eisenacher Nazis unter Missbrauch des Notwehrrechts tatsächlich töten wollten. Rechtsradikaler Zynismus ist an Thüringer Gerichten weit verbreitet: Antifas hätte sich ja nicht in Todesgefahr bringen und die Nazis angreifen müssen.
Presse: MDR1 | MDR2 | SZ | taz | LTO1 | LTO2 | SPON -
Donnerstag, 04.07.2024
Das Coburger Tageblatt hat am 1. Juli einen Artikel samt Interview zum CC veröffentlicht. Anlass ist ein kritischer Beitrag des Coburger Kulturwissenschaftlers Hubertus Habel. In seinem Text analysiert Habel den Auftritt des „Coburger Convents“ am Pfingstmontag – von der militaristischen Musik, dem hochgestapelten Redner bis zum Einmarsch der Fackeln.
Habel hat zudem das diesjährige Rumgeopfere von Matthias Mangold mitgeschnitten, „Alter Herr“ der „Landsmannschaft Schottland Tübingen“ und der „Alten TurnerInnenschaft Slesvigia-Niedersachsen Hamburg-Königsberg zu Hamburg“. Der Rechtsanwalt aus Calw ist organisiert in der VACC Stuttgart. Habel erwidert Mangold, dass Tradition nicht durch Alter geschützt werde. Außerdem rede er, nämlich Mangold, Bullshit.
Dem Coburger Tageblatt stand Hubertus Habel nun Rede und Antwort:
„Der CC sei in seinen Ritualen gefangen, sie seien militärisch, Habel kritisiert, dass der CC sich durchgehend auf seinen ,akademischen‘ Hintergrund berufe, bei seiner Selbstdarstellung nur die Faktoren herauspicke, die in sein Bild passen. Und – der CC sei in seiner Führung ,rechts blind‘.“
Zur Selbststilisierung des CC als „akademisch“ und der Verharmlosung seines jährlichen Fackelmarschs durch die gesamte Stadt als „Tradition“ hat Hubertus Habel nur einen historischen Vergleich übrig:
„In Coburg werden zur Kundgebungsrede die Fackeln zentral verbrannt. Es gab ,akademische‘ Fackelzüge, an deren Ende auch etwas verbrannt wurde: Bücher. Der Fackelzug zur Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933 in Berlin etwa zog von der Uni zum Opernplatz. Am Ende wurden Bücher von NS-Gegnern verbrannt. Dann hielt Fritz Hippler eine Hetzrede – dieser Hippler war später Reichsfilmintendant und Regisseur des Hetzfilms ,Der ewige Jude‘. Und er war Mitglied in der Landsmannschaft Teutonia Heidelberg, der Landsmannschaft Arminia Berlin und des CC.“
Auch das vielbesudelte „Ehrenmal“ des CC im Coburger Hofgarten bekommt seinen Vergleich, nur eben zur Jetztzeit:
“Es heißt ja immer, das sei ein Denkmal des Friedens, das als Mahnung für alle Opfer von Krieg und Gewalt stehe. Das stimmt nicht. Das Schwert, das die Figuren halten, wird nicht hochgereckt, sondern empfangen. Es senkt sich vom Himmel herab, es ist heilig. Und es ist zum Kampf gedacht. In der Denkmalurkunde steht der Satz „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen.“ Aktuell steht Björn Höcke von der AfD für den SA-Leitspruch ,Alles für Deutschland‘ vor Gericht. Ideologisch gesehen passt zwischen diese beiden Sätze kein Blatt Papier.“
Habel erwähnt, dass er „die Mails der Antifa ausgewertet“ und den Inhalt gegengecheckt habe, „[z]um Bespiel dort, wo es um Karl Vialon geht, der ein hochgradiger Holocaust-Mittäter war. Als ein CC-Mitglied anregte, sich mit dessen Geschichte auseinanderzusetzen, hat Schollmeyer (anm. d. Red.: Hans-Georg Schollmayer, bis 2023 Kongressbeauftragter der CC) dieses Mitglied einfach als ,ehrlos‘ betitelt und ein Ehrengerichtsverfahren gegen den Mann angestrengt. Vialon aber sei ein ehrenwerter Mann gewesen. Jemand, der an einem Völkermord beteiligt war?“
Vialon ist auch Thema im CT-Artikel: „[D]as Präsidium [des CC] habe nichts gegen solches Gedankengut getan oder die eigene Vergangenheit aufgearbeitet. Habel bezieht sich hier auf Karl Vialon. Vialon war während des Zweiten Weltkrieges Ministerialrat im Reichskommissariat Ostland im Dritten Reich. Er war dort unter anderem für die ,Sicherung der jüdischen Vermögenswerte‘ verantwortlich, also das Rauben von Möbeln oder Wertgegenständen, aber auch das Verwalten von Textilien, die die Opfer vor Massenerschießungen ausziehen mussten. Hans-Georg Schollmeyer, bis 2023 CC-Kongressbeauftragter, habe Vialon 2018 als „honoriges“ Mitglied des CC bezeichnet.“
Das Interview endet mit Sarkasmus, Opfer ist wie immer der CC:
„Der CC sieht sich in Coburg nicht als Gast. Auch wenn Schollmeyer nicht mehr im Amt ist – dem CC ist es immer noch egal, wer unter ihm Oberbürgermeister ist.“ -
Freitag, 05.07.2024
Die „WerteUnion“ hat für Montag, 8. Juli 2024, um 19 Uhr eine Veranstaltung bei Nikolaus von Gayling auf „Schloss Ebnet“ in der Schwarzwaldstraße 278 in Freiburg angekündigt. Der Titel der Veranstaltung klingt wie frisch aus dem Schwurbelseminar: „WHO, RKI und ARD: Werden wir nur noch belogen?“
Sprechen sollen dann auch zwei besonders schillernde Exemplare der an SelbstdarstellerInnen reichen Szene der PandemieleugnerInnen: „Dr. jur. Beate Sibylle Pfeil“ und „Dr. med. Gunter Frank“. Als „Mitglied im Bundesfachausschuss Gesundheit der WerteUnion“ scheint Frank so etwas wie der „WerteUnions-Beauftragte für Spinnerstimmen“ zu sein. Ohne Frage sind Frank und Pfeil jedenfalls selbst auf dem Corona-Protest hängengeblieben.
Sibylle Pfeil ist Juristin aus Kirchzarten, aber keine Anwältin. Sie ist verheiratet mit Wolfram Triller, Erster Staatsanwalt aus Lörrach, Staatsanwaltschaft Freiburg. Vor der Pandemie arbeitete Pfeil zu Themen des europäischen Minderheitenschutzes. Sie war im Vorstand dieses europäischen Instituts für Minderheiten Fragen in Kiel und für eine Amtszeit auch die deutsche Vertreterin in einem Gremium des Europarats zum Thema.
Verschwurbelt wurde Sibylle Pfeil durch ihre Hausärztin während der Pandemie. Sie redete auf „Corona-Demos“, schrieb an Broschüren mit, verfasste juristische Schreiben „für den Widerstand“ und macht juristische Beratungen. Mittlerweile ist Beate Sibylle Pfeil gerichtlich anerkannte „tragende intellektuelle Vordenkerin der Südbadischen Coronaleugner- und Querdenker-Szenen“.
Am 6. April 2022 war Beate Sybille Pfeil an der koordinierten Störung des FES-Vortrags zum Thema „Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und ,Querdenker‘ – Aktuelle Bedrohungen für die Innere Sicherheit“ beteiligt. Auch Bodo Kaiser war Teil des „Querdenker“-Mobs an diesem Abend.
Ihre Töchter haben sich in der Corona-Pandemie ebenfalls radikalisiert: Sie gründeten 2020 die „Kritische Jugend Freiburg“ (KJF), redeten auf Schwurbeldemos, organisierten Bannderdrops und sie sind noch immer aktiv. In der internen KJF-Gruppe wurden bereits vor Jahren offen antisemitische Sprachnachrichten verschickt. Auf den Vorschlag, ein Erkennungszeichen der KJF zu tragen, meinte eine der minderjährigen Pfeil/Triller-Töchter am 7. November 2020:
„Ist euch aufgefallen, also ich finde die Idee richtig gut und ich würde das auch machen, aber es ist ja so, früher wurden die Juden nicht in die Läden gelassen und heutzutage ja die Menschen ohne Maske nicht. Und die Juden hatten ja auch immer den Stern und wenn wir dann auch ein Erkennungszeichen haben, dann ist das ja noch ähnlicher. Das ist ja richtig krass!“ -
Samstag, 06.07.2024
Am 28. Juni haben wir unser Communiqué zu dem rassistischen Asylrichter Bengt Fuchs und zu den TraMiZu-Korpo-Foren veröffentlicht. Zeitgleich berichteten die taz und LTO. Eine Woche später folgten am 5. Juli die nächsten Presseangriffe von MDR und dpa.
Doch Bengt Fuchs ist abgetaucht. Das Verwaltungsgericht Gera teilte dem MDR mit: „Ohnehin sei der Richter bis Mitte August nicht im Dienst.“ Der Fuchs ist nämlich am Strand von Hiddensee – länger als ein Jahresurlaub, denn alles tut so weh.
Die Grünen in Thüringen fordern die Entlassung von Bengt Fuchs als Richter, nicht nur die amtliche Feststellung seiner Befangenheit in Asylfragen.
Unvergessen sind unter anderem die rechtsradikalen Skandalentscheidungen des Verwaltungsgerichts Gera in Versammlungsfragen. Das Rechercheportal Jena-SHK hat daran erinnert:
„Der korporierte Rassisten-Richter Bengt Fuchs vom Verwaltungsgericht #Gera war nebenbei gesagt auch ein leidenschaftlicher Verfechter der durch sein Gericht aufgehobenen Verbote für Nazi-Fackelmärsche zu Hitlers Geburtstag, Rudolf Hess’ Todestag und der Reichspogromnacht in #Jena 2016.
Zu öffentl. Diskussionen über ein #Justizproblem reiste er persönlich nach #Jena, um aus dem Publikum heraus das Wort zu ergreifen und diese Entscheidungen zu verteidigen.“
„Steh einmal auf! Schlag mit der Faust darein! Schlaf nicht nach vierzehn Tagen wieder ein! […] Pack sie gehörig an! Sie kneifen alle. […] Pack sie fest – dein Haus verbrennt, wenn dus jetzt glimmen läßt.“ -
Sonntag, 07.07.2024
Die taz hat einen Artikel über „Active Clubs“ veröffentlicht. Von diesen Nazikampfsportclubs gibt es laut „Bundesamt für Verfassungsschutz“ mittlerweile ein Dutzend in Deutschland. In dem taz-Artikel geht es um den Nazi Lukas Suttner, der am 15. Juni bei einem MMA-Turnier in Freudenstadt gekämpft hat. Auch das baden-württembergische „Landesamt für Verfassungsschutz“ ist mittlerweile auf das Thema Nazis und Kampfsport aufmerksam geworden.
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Sonntag, 07.07.2024
Der baden-württembergische Landesverband der „WerteUnion“ hat sich am 6. Juli in Fellbach im Rems-Murr-Kreis gegründet. Zum Landesvorsitzenden wurde Achim Barth gewählt, ehemaliges CDU-Mitglied und langjähriges Mitglied der Mittelstands-Union. Im November 2021 war Marc Ehret in Stuttgart zum Landesvorsitzenden der „WerteUnion“ gewählt worden, die damals noch ein Verein und keine Partei war.
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Montag, 08.07.2024
Die Berliner Omas gegen Rechts haben mit einer Petition erreicht, dass die Berliner Volksbank das Spendenkonto der AfD gekündigt hat. Die Bank wollte mit Hinweis auf das Bankgeheimnis nicht bestätigen, stellte aber wohl sämtliche Geschäftsverbindungen mit der Nazipartei ein.
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Dienstag, 09.07.2024
Seit anderthalb Wochen greifen wir den rassistischen Asylrichter und „Turnerschafter“ Bengt Fuchs aus Gera an. Am 28. Juni haben wir unser Communiqué veröffentlicht und darin zum ersten Mal aus dem seit 2011 abgeschalteten TraMiZu-Forum zitiert.
Noch am 28. Juni berichteten die linke Tageszeitung taz und das Juraportal LTO. Eine Woche später folgten am 5. Juli der öffentlich-rechtliche MDR und die Nachrichtenagentur dpa mit einer Agenturmeldung. Am 7. Juli berichtete das Regionalportal Thüringen24 und die taz legte nach.
Am 8. Juli gab es eine weitere dpa-Meldung, die unter anderem LTO, MDR/Tagesschau, die taz und erstmals auch der Spiegel aufgegriffen haben: Der Asylrichter wurde abgesetzt, Antifa wirkt!
Als „Akutmaßnahme“ hat das Präsidium des Verwaltungsgerichts um den Präsidenten und rechten Richter Michael Obhues seinen Stellvertreter Bengt Fuchs der dritten Kammer des Gerichts zugewiesen. Der Fuchs soll sich zukünftig „etwa um Straßenverkehrsrecht, Wirtschaftsrecht und Telekommunikationsrecht“ kümmern.
Das reicht uns nicht. Fuchs soll Richter bleiben? Das akzeptieren wir nicht! Der Lügner muss weg. Der Angriff geht weiter.
„Schlag zu! Schlag zu! […] Zerreiß die Paragraphenschlingen. Fall nicht darein. Es muß gelingen! […] Du stehst vor deinem letzten Atemzug.“ -
Mittwoch, 10.07.2024
In Berlin gab es am 6. Juli einen Naziangriff auf Antifas, die zu einer Antifademo wollten. Das Orgabündnis der „Nach den Rechten schauen“-Demo hat am 7. Juli bekannt gegeben:
„Am Ostkreuz attackierten 15-20 Neonazis mehrere Menschen, die auf dem Weg zur Demonstration waren. Mehrere Personen wurden verletzt, teilweise schwer.
Am 06.07.2024 sammelten sich am Ostkreuz in Berlin Friedrichshain circa 30-40 Personen, um gemeinsam zur Demonstration ,Nach den Rechten schauen‘ anzureisen. Die Demo skandalisierte rechte Strukturen und rechte Gewalt in Marzahn-Hellersdorf durch Organisationen wie den III. Weg.
Um 16:10 Uhr kamen circa 20 Personen aus Richtung der Simplonstraße auf den Treffpunkt der gemeinsamen Anreise zu: Sie marschierten in Zweierreihen, waren bewaffnet und vermummt – mit Holzknüppeln, Schlagstöcken, Handschuhen und Pfefferspray. Geschlossen prügelten sie auf die dort wartenden Personen ein. Dabei schlugen sie gezielt gegen Köpfe und ließen auch von bereits am Boden liegenden Personen nicht ab. Einer der Täter trat einem Betroffenen außerdem mit dem Stiefel ins Gesicht.
Bei diesem gezielten Angriff der Neonazis wurden mindestens 6 Personen verletzt, teilweise schwer. Mehrere Betroffene mussten rettungsdienstlich versorgt werden.
Während dem gesamten Vorfall waren zwei Polizist*innen anwesend, die jedoch nicht intervenierten. Auch polizeiliche Verstärkung wurde erst angefordert, als die Täter bereits geflüchtet waren. Die Täter stammen aus dem Umfeld der ,Nationalrevolutionären Jugend‘ (NRJ). Diese ist die Jugendorganisation des ,III. Weg‘, einer neonazistischen Kleinstpartei, die als Auffangbecken für gewaltbereite Neonazis aus verschiedenen extrem rechten Strukturen fungiert. Einer der Angreifer wurde erkannt als Hermann Meyer, welcher ein aktives Mitglied der NRJ in Brandenburg ist. Er ist Sohn von Lutz Meyer, ein langjähriger Neonazi und inzwischen stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Brandenburg des III. Wegs. Ein weiterer Täter, bisher namentlich nicht bekannt, konnte dem NRJ zugeordnet werden.
Ziel der ,NRJ‘ ist es, Jugendliche für ihre nationalsozialistische Ideologie zu gewinnen. Über aktionsorientierte Sport- und Freizeitangebote, Social-Media-Auftritte, sowie Flyeraktionen vor Schulen, sollen Jugendliche direkt angesprochen, für die Gruppe agitiert und im Rahmen von Gruppenangeboten, wie Kampfsporttrainings, Graffitti-Aktionen oder Ausflügen, radikalisiert werden.
Den Kampfsporttrainings, die in der Regel auf öffentlichen Sportplätzen stattfinden, kommt eine besondere Bedeutung zu. Zum einen werden Videomitschnitte der Trainings auf Social Media veröffentlicht, um das eigene aktionsorientierte Image zu stärken. Zum anderen dienen sie der Vorbereitung von gewalttätigen Angriffen auf der Straße. Dies zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder bei verschiedenen Überfällen auf linke Jugendzentren, wie das La Casa, das JUP oder die Bunte Kuh, aber auch auf Einzelpersonen, die von der NRJ als politische Gegner*innen identifiziert wurden.“
Der öffentlich-rechtliche RBB schrieb am 8. Juli:
„Laut Polizei griffen zehn bis fünfzehn vermummte Männer, zum Teil mit Schlagringen und Schlagstöcken bewaffnet, am Samstag gegen 16 Uhr die andere Gruppe aus fünf Menschen im Alter von 15, 39 und 32 Jahren an. Eine Bundespolizistin und ein Kollege hätten den Überfall auf einem Weg zum Bahnhof gesehen und versucht, mit Pfefferspray die Gruppen zu trennen.
Die Bundespolizistin habe einen Angreifer festnehmen wollen, sie sei von ihm aber mit der Faust ins Gesicht geschlagen und verletzt worden. Auch ihr Kollege wurde demnach angegriffen. Die Täter konnten fliehen. Eine 15-jährige Jugendliche und ein 39-jähriger Mann kamen mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus.
In der Nähe des S-Bahnhofs Kaulsdorf nahm die Polizei dann drei Verdächtige im Alter von 19 und 20 Jahren fest, als eine größere Gruppe überprüft wurde. Polizisten beschlagnahmten Schlaggegenstände.“
Presse: taz | nd | rbb | TS | t-o -
Donnerstag, 11.07.2024
Der Angriff auf den Asylrichter von Gera zu Hiddensee lässt sich unter „stürzen“ subsumieren. Selbstverständlich nennt der Duden die populärste Bedeutung des Wortes, nämlich jemanden „[gewaltsam] aus dem Amt entfernen“. Im Fall Fuchs kommt möglicherweise zusätzlich „[in zerstörerischer, (selbst)mörderischer Absicht] aus einer gewissen Höhe hinunterstürzen“ in Betracht. Aber warum immer so negativ? Denn „stürzen“ kann auch „sich mit Leidenschaft, Eifer o. Ä. einer Sache verschreiben“ bedeuten. Und natürlich „wild, ungestüm über jemanden herfallen, jemanden angreifen, anfallen“.
Anderthalb Wochen nach der Veröffentlichung unseres Communiqués über Bengt Fuchs wurde der Rassist und Schwulenfeind am 8. Juli als Asylrichter abgesetzt. Am 10. Juli berichteten LTO, MDR/Tagesschau und dpa, dass der Präsident des Verwaltungsgerichts Gera ein Disziplinarverfahren gegen Richter Fuchs eingeleitet hat.
Offenbar sieht sogar Gerichtspräsident Michael Obhues einen möglichen Verstoß seines Stellvertreters gegen das Mäßigungsgebot des „Deutschen Richtergesetzes“. Trotz Disziplinarverfahren und Kammerrochade soll Fuchs allerdings Richter bleiben. Und das nicht nur für „Straßenverkehrsrecht, Wirtschaftsrecht und Telekommunikationsrecht“, sondern auch für „Flüchtlings- und Vertriebenenrecht“.
Denn was bisher fehle, leider, seien stichhaltige Beweise, dass Richter Fuchs höchstselbst die Postings verfasst hat. Denn dann wäre der Fuchs der Lüge überführt und als rechter Richter untragbar. Sicher, gehört werde auch der andere Teil, nur bestreitet Bengt Fuchs noch immer die Urheberschaft der Postings. Der Richter ist also trotz der schon jetzt erdrückenden Beweislast und eines antifaschistischen Hinweises weiterhin nicht geständig.
Zugestanden, in einem Rechtsstaat gibt es auch für von der Öffentlichkeit angeklagte Richter keine Wahrheitspflicht. Allerdings dürften sich auch bei ihnen nachgewiesene Lügen bei späteren Strafzumessungserwägungen nachteilig auswirken. Oder wie Bengt Fuchs es am 25. Oktober 2010 vor rund 15.000 Korporierten auf TraMiZu formulierte: „Strafzumessung ist ein differenziertes Geschäft, in das nicht nur die Umstände der Tat und die kriminelle Energie des Täters, bzw. die Tatfolgen, sondern auch […] das Nachtatverhalten, das Verhalten im Verfahren etc. einfließen.“ -
Freitag, 12.07.2024
Der Bayerische Rundfunk dokumentierte am 6. Juli eine „Pro Patria-Suite“ „auf dem Haus“ der „Burschenschaft Frankonia Erlangen“ in der „Deutschen Burschenschaft“. Der BR nennt als Quelle korporierte Informanten. Die anonymen Whistleblower sind „Bundesbrüder“ mit genuinem Zugang zu internen Kommunikationskanälen und insoweit für Korporationen nur schwer zu enttarnen, so lange sie den Best Practices folgen. Die Motive der Helfer im anderen Lager sind zwar oft zweifelhaft, bürgen aber für hohe Authentizität der Daten.
Das Duell am 6. Juli wurde ausgetragen zwischen der „Frankonia“ und der „Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg“, ebenfalls ein DB-Mitglied. Bewaffnete Ehrenhändel sind in Deutschland als (versuchte) gefährliche oder schwere Körperverletzung strafbar:
„Doch am Samstag soll es zu einer Bereinigung eines solchen Ehrenhandels gekommen sein. Informanten aus der Burschenschaftsszene teilten dem BR mit, dass ein Verbindungsstudent der Teutonia die minderjährige Schwester eines Frankonen sexistisch beleidigt haben soll. Aufgrund dieser Ehrverletzung soll eine PP-Suite vereinbart worden sein. Nach dem Duell hätte die Frankonia entscheiden müssen, ob die ,verletzte Ehre gebüßt wurde‘. Auch der AfD-Politiker Daniel Halemba habe dafür eine Partie fechten sollen, so die Hinweisgeber.“
Der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba „erschien bei der Frankonia in einem weißen T-Shirt mit dem Rücken-Aufdruck ,Oberschlesien‘ und der Reichsflagge schwarz-weiß-rot am Ärmel. Dieses T-Shirt wird auch von einem Neonazi-Versand vertrieben. Weiße T-Shirts werden an Mensurtagen als ,Paukshirts‘ bezeichnet, so ein Burschenschafter zum BR, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht in den Medien lesen will. Verbindungsstudenten ,mit der weißen Hose und einem weißen Oberteil sind direkt an der Mensur beteiligt. Entweder als Paukant (Anm.: Teilnehmer der Mensur) oder Sekundant (Betreuer des Paukanten)‘, so der Informant. [...] Laut Beteiligten kam es [...] zu mehreren ,Abfuhren‘, also starken Verletzungen oder Blutungen bei beteiligten Paukanten.“ -
Samstag, 13.07.2024
Pro Asyl hat am 12. Juli einen Artikel zur Missbrauchsanfälligkeit des Sonderprozessrechts im Asylbereich veröffentlicht. Darin wird die alarmierend niedrige Schutzquote des Verwaltungsgerichts Gera analysiert: „Solche Abweichungen können nicht mit besonderen Fallkonstellationen oder ähnlichen Begründungen abgewiegelt werden.“
„Das perfide an den Entscheidungen des VG Gera ist dabei nicht nur, dass sie für die Betroffenen negativ ausfallen, sondern auch, dass sie so verfasst sind, dass man sie mit den eingeschränkten Berufungszulassungsgründen des Asylprozessrechts nicht angreifen kann.
78 Absatz 3 AsylG lässt Berufungen nur zu, wenn die »Rechtssache grundsätzliche Bedeutung« hat, die erstinstanzliche Entscheidung »von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht« oder wenn Verfahrensmängel, allen voran die Verletzung rechtlichen Gehörs, zu gewärtigen sind. Der in § 124 VwGO für das Verwaltungsrecht im Übrigen geltende wichtige Zulassungsgrund der »ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils« ist in dem begrenzten Katalog der Zulassungsgründe des § 78 Absatz 3 AsylG demgegenüber nicht enthalten.
Asylrichter*innen können sich dies zunutze machen und ihre Urteile ohne Weiteres so formulieren, dass sie einer oberverwaltungsgerichtlichen Prüfung unzugänglich sind, selbst wenn sie eklatant unrichtig sind. Eine Analyse von PRO ASYL der Urteile des VG Gera zeigt genau diese Vorgehensweise.“
Wir dokumentieren fortlaufend die Veröffentlichungen im Rahmen der Antirakampagne „Für ein Recht auf Asyl“. Mit der Absetzung von Bengt Fuchs als Asylrichter und der Einleitung eines Disziplinarverfahrens wurden die ersten Ziele der Kampagne erreicht. Aber Fuchs darf nicht Richter bleiben, das sind wir seinen Opfern schuldig. -
Sonntag, 14.07.2024
Gegen das „163. Stiftungsfest“ der „Burschenschaft Germania Halle zu Mainz“ in der „Deutschen Burschenschaft“ findet am Samstag, den 20. Juli, ab 11 Uhr eine Demonstration ab Mainzer Hauptbahnhof statt. Die Demo ist Teil der „Rechten Eliten keine Plattform bieten“-Kampagne, derentwegen die „Germania“ letztes Jahr für ihr Fest ins „Zentrum Rheinhessen“ fliehen musste. Doch das Nazizentrum ist mittlerweile nach Ingelheim umgezogen und steht damit dieses Jahr als Ausweichort zum Verbindungshaus in der Stahlbergstraße 33 nicht zur Verfügung.
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Montag, 15.07.2024
Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München hat die Broschüre „Gehorchen und herrschen“ veröffentlicht und als PDF zum Download ins Netz gestellt. In der Publikationen wird ein Überblick über die mehr als 60 Studierendenverbindungen in München gegeben. Zahlreiche Fotos illustrieren die bizarre Parallelwelt der Korporationen. Die Bandbreite reicht von den „Burschenschaften“ über die „Corps“, „Landsmannschaften“ und „Turnerschaften“ sowie den katholischen Verbindungen bis zu den kleineren Verbänden und den verbandsfreien Bünden.
In der ersten Hälfte der Broschüre wird auf etwa 50 Seiten eine Einführung in die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Verbindungstypen gegeben. Viele Aspekte des korporierten Lebens und seiner Geschichte werden vorgestellt und eingeordnet. Verschwiegen werden weder die AfD-nähe einiger Bünde noch die generellen Nachwuchssorgen der meisten Verbindungen.
In der zweiten Hälfte der Broschüre werden alle Münchner Korporationen einzeln portraitiert und klassifiziert. Das ist wichtig und nützlich, um handlungsfähig zu sein. Denn nur, wenn wir unsere Feinde ausreichend gut kennen, können wir angemessen hart zuschlagen.
Die AutorInnen kommen zu dem Fazit: „Die Ausführungen dieser Broschüre zeigen, dass hinterfragt werden muss, ob Studierendenverbindungen in einer progressiven, pluralistischen Gesellschaft, die liberale, demokratische Werte lebt, noch einen Platz haben.“ -
Dienstag, 16.07.2024
Die von FragDenStaat und dem ZDF Magazin Royale im September 2023 geleakte nationalsozialistische „Itiotentreff“-Chatgruppe der hessischen Polizei, die sich auch in Ermittlungsakten fand, wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 15. Juli unanfechtbar zur Privatsache erklärt.
Die Chats seien nicht strafbar, da nie mehr als 10 Nazibullen Mitglied der Gruppe gewesen seien und es „keine konkreten Anhaltspunkte“ gebe, „dass die Angeschuldigten damit rechneten und es billigend in Kauf genommen hätten, dass die eingestellten Inhalte weitergegeben und einer nicht mehr überschaubaren Anzahl von Personen übermittelt werden würden“. Das OLG bestätigte mit der Abweisung einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Nichtzulassungsbeschluss zur Hauptverhandlung des Landgerichts.
Die hessische Justiz schiebt damit das Problem der unverhohlenen Nazibullen unverfroren der Exekutive zu, ausgerechnet: Das Verhalten der Chatteilnehmer „begründet erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue der im Polizeidienst tätigen Angeschuldigten und erfordert dienstrechtliche Konsequenzen“.
Die FR erinnert daran, wie die Chats überhaupt aktenkundig wurden: „Die Chatgruppen waren aufgeflogen, weil die Smartphones von Polizistinnen und Polizisten aus dem 1. Revier auf der Frankfurter Zeil im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren durchsucht worden waren. Dabei ging es um den Verdacht, dass Beamtinnen und Beamte an der rechtsextremen Drohserie mit dem Absender ,NSU 2.0‘ beteiligt gewesen sein könnten.“
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Mittwoch, 17.07.2024
Am 16. Juli wurde das Nazimagazin „Compact“ von Jürgen Elsässer vom Bundesinnenministerium verboten. Zeitgleich mit dem Verbot der „COMPACT-Magazin GmbH“ und der „CONSPECT FILM GmbH“ gab es Razzien am brandenburgischen Redaktionssitz in Falkensee bei Berlin sowie in Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Wie beim Verbot von Indymedia linksunten wurde das Vereinsgesetz missbraucht, um ein Pressemedium zu zensieren. Nur traf es in diesem Fall keine linksradikale Nachrichtenplattform, sondern das reichweitenstärkste Medium der radikalen Rechten. „Compact“ wurde wegen menschenverachtender Hetze verboten.
Das „Compact“-Verbot ist eine Reaktion auf die antifaschistischen Recherchen zum Nazitreffen in Potsdam im Herbst 2023 und die darauf folgenden Massenproteste Anfang 2024. Verbote weiterer Nazivereine wurden in Aussicht gestellt.
Mit dem Verbot wurde nicht nur das gesamte Vermögen des Nazimagazins, sondern auch eine sechsstellige Summe an Wahlkampfmitteln der AfD beschlagnahmt. Die AfD Brandenburg hatte dem „Compact“-Magazin das Geld als Miete für eine Bühne gezahlt. Die Bühne sollte an 17 Orten im Landtagswahlkampf eingesetzt werden. Well done.
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Donnerstag, 18.07.2024
Der britische Guardian berichtet über Thatchers Bullenspitzel. Eine öffentliche Untersuchung der Spy Cops hat Details über die Infiltration der Antiatombewegung durch die Polizei in den 1980er Jahren hervorgebracht. Während der Hochphase des Kalten Krieges war die Angst vor einem Atomkrieg deutlich ausgeprägter als heute. Mindestens fünf Bullenspitzel wurden gegen die friedliche Massenbewegung eingesetzt, teilweise auf direkte Anweisung der damaligen Ministerpräsidentin Margaret Thatcher. Die Informationen wurden unter anderem von den Konservativen im Wahlkampf 1983 eingesetzt. Thatcher wurde wiedergewählt. Insgesamt werden die Taten von 139 Bullenspitzel untersucht, die mehr als 1.000 überwiegend linke Gruppe seit 1968 unterwandert haben.
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Freitag, 19.07.2024
In der Nacht auf den 16. Februar 2023 wurden zwei Linke in Berlin festgenommen. Ihnen wurde die „Verabredung zu einem Verbrechen“ vorgeworfen, nämlich Brandstiftung. Am 15. Juli 2024 wurden die beiden vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten freigesprochen.
Ein Hubschrauber der Bundespolizei hatte mit Wärmebildkameras zwei Personen an einer Gleisböschung südlich des S-Bahnhofes Adlershof festgestellt. Die Linken wurden von drei Polizeistreifen gestellt und in einem Bahntunnel festgenommen. Bei der anschließenden Durchsuchung vor Ort wurden zwei eingeschaltete Funkgeräte sowie eine Liste mit zivilen Fahrzeugkennzeichen der Berliner Polizei gefunden. Zusätzlich wurde zwischen Tunnelwand und Kabelschacht ein Rucksack mit originalverpackten Haushaltshandschuhen und ein mit Flüssigkeit gefüllter Kanister für Scheibenwischwasser gefunden.
Es folgten Hausdurchsuchungen und Meldeauflagen: zweimal wöchentlich auf der örtlichen Bullenwache, was für eine DNA-Entnahme genutzt wurde. Am 27. Mai begann der Prozess, an dessen Ende sogar der Staatsanwalt aus Mangel an Beweisen für Freisprüche plädierte. Denn es gebe keine ausreichenden Beweise dafür, dass der Rucksack mit Kanister den Beschuldigten zuzuordnen sei. Die DNA-Analysen waren wegen schlampiger Ermittlungsarbeit der Polizei nicht verwendbar.
Solianschläge: 03.05.24 | 11.05.24 | 01.06.24 | 09.07.24
Verfahren: 16.02.23 | 17.02.23 | 24.02.23 | 27.06.23 | 25.11.23 | 04.06.24 | 13.06.24 | 05.07.24 | 13.07.24 | 16.07.24 -
Samstag, 20.07.2024
Beim Naziangriff auf Antifas am 6. Juli am Berliner S-Bahnhof Ostkreuz wurden Nazis der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) erkannt. Am 18. Juli folgten Razzien in zehn Wohnungen in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Ermittelt wird gegen neun Nazis, von denen der jüngste 17 Jahre alt ist. Der älteste ist der 21-jährige Erik Storch.
Der Tagesspiegel schreibt: Am Morgen rückten 130 Beamte an zehn Orten an. Vier der Tatverdächtigen wohnen in Berlin, fünf in Brandenburg, etwa in Potsdam, Wustermark und Neutrebbin, und einer in der Oberlausitz in Sachsen. Der Staatsschutz beim Landeskriminalamt ermittelt gegen sie wegen gemeinschaftlichen Raubes, schweren Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. [...]
Den Neonazis wird ein weiterer Überfall vorgeworfen. Im Januar sollen sie in Prenzlauer Berg einen 20-jährigen Mann zunächst aus politischer Motivation angegriffen und bestohlen haben. Er soll von sechs bis sieben Personen attackiert worden sein. Der Grund: Er hatte einen antifaschistischen Aufnäher auf seinem Rucksack.“
Die NRJ ist die Jugendorganisation der Nazikleinstpartei der „III. Weg“ und bekannt für ihre öffentlichen Wehrsportübungen. Am 13. Juli veranstalteten „III. Weg“ und NRJ ein öffentliches „Kampfsporttraining“ in Parteiuniformen in der Parkaue in Berlin-Lichtenberg, das von der Polizei aufgelöst wurde. -
Sonntag, 21.07.2024
Die „Burschenschaft Germania Halle zu Mainz“ in der „Deutschen Burschenschaft“ hat ihr „Stiftungsfest“ wegen einer Antifademo am 20. Juli unehrenhaft verschoben:
„Eigentlich plante die Burschenschaft Germania Halle zu Mainz am Wochenende vom 19. bis 21. Juli ihr 163. Stiftungsfest zu feiern. Aufgrund einer Antifa-Demo verschoben sie nun ihr Zusammenkommen. [...] Das Stiftungsfest ist eine Art Mitgliederversammlung der Burschenschaft. Eingerahmt von einer ,Kneipe‘ am Freitagabend, die euphemistisch für Besäufnis steht, und einem Ausflug am Samstagnachmittag findet die eigentliche Versammlung am Samstagvormittag statt. Abgerundet wird das Stiftungsfest mit einem Frühschoppen am Sonntag. Für diesen Anlass kommen extrem rechte Burschenschafter aus dem gesamten Bundesgebiet als Gäste hinzu.“ -
Montag, 22.07.2024
In Bopfingen im Ostalbkreis in Ostwürttemberg wurde am 20. Juli ein Nazikonzert von der Polizei aufgelöst. Etwa 50 Nazis waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Auftreten sollten die Nazibands „Kategorie C“ und „Heureka“. In der Polizeimeldung heißt es:
Das Polizeipräsidium Aalen führte am Samstagnachmittag einen polizeilichen Einsatz in einem Gewerbegebiet in Bopfingen durch. Aufgrund von Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz wurde bekannt, dass eine Musikveranstaltung mit rechtsextremistischem Hintergrund durchgeführt werden sollte. Aufgrund der polizeilichen Erkenntnisse musste davon ausgegangen werden, dass es im Zuge der Veranstaltung zu Straftaten kommen könnte. Insbesondere, da die dort auftretenden Musiker nach Bewertung des Verfassungsschutzes als rechtsextremistisch eingestuft wurden. Aus diesem Grund wurde der Auftritt der Bands durch die zuständigen Behörden untersagt und ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen. Die Veranstaltung wurde deshalb durch die Polizei verhindert.
Anschließend wurden die Nazis kontrolliert und vier Verstöße gegen das Verbot der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz angezeigt.
Presse: Spiegel | SWR | Stuttgarter Nachrichten | Heilbronner Stimme | Schwäbische Post | Tag24 -
Dienstag, 23.07.2024
Der Thüringer Asylrichter Bengt Fuchs wurde am 22. Juli von drei bundesweiten Medien der Lüge überführt. Die Veröffentlichungen sind Teil der Antirakampagne „Für ein Recht auf Asyl“. Sie basieren auf unserem Communiqué „Der Tradition keine Zukunft“ vom 28. Juni 2024 und auf jahrelanger wunderbarer Vorarbeit. Ohne sie wäre alles nichts.
Die taz schrieb: „Der Verdacht, dass der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera, Bengt Fuchs, identisch ist mit einem Verfasser rassistischer und homophober Posts im Netz erhärtet sich. So hat sich ein Bengt-Christian Fuchs auf der Internetplattform ,Tradition mit Zukunft‘ (TraMiZu) mit seiner Dienstadresse registrieren lassen: bfuchs@vgge.thueringen.de. Ein Nutzer ,BeFuchs287‘ hatte sich dort unter anderem abfällig über Migrant:innen geäußert. Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts hatte aber gegenüber der taz Ende Juni bestritten, jener Nutzer zu sein und sprach von einer ,Manipulation‘.“
Fuchs wechselte vom Leugnen zum Schweigen. Verständlich, angesichts der Beweislage, wenn auch spät im Prozess:
„Unterlagen, die dem SPIEGEL vorliegen, wecken nun weitere Zweifel an Fuchs’ Darstellung: Die Anmeldung bei »Tradition mit Zukunft« am 15. Mai 2005 erfolgte demnach über seine dienstliche E-Mail-Adresse, also die, die er als Richter am Verwaltungsgericht Gera nutzt. Diese Adresse wurde am selben Tag noch von den Administratoren des Forums an seine Turnerschaft in Göttingen geschickt, um die Identität von Fuchs zu bestätigen, was auch geschah. Fuchs konnte danach Teil des Forums werden. Der Präsident des Verwaltungsgerichts Gera, Michael Obhues, hat dem SPIEGEL die Korrektheit der dienstlichen E-Mail-Adresse bestätigt und dass sie 2005 Fuchs gehörte.“
MDR/Tagesschau berichtete: „Gerichtspräsident Michael Obhues teilte nun auf Anfrage mit, Fuchs habe ihm gegenüber keine Erklärung dazu abgegeben, ob er tatsächlich hinter dem Nutzerprofil steht. Das Gericht bestätigte aber, dass die im Forum einzusehende Mailadresse die damalige des Richters gewesen sei. Zur logischen Schlussfolgerung – ob sich Richter Fuchs also tatsächlich selbst eingeloggt hatte – antwortete das Gericht: ,Zu dieser Frage liegen uns bislang keine Erkenntnisse vor. Ihr wird ggf. im Rahmen des eingeleiteten Disziplinarverfahrens nachzugehen sein.‘“
Bengt Fuchs steht der übliche Rechtsweg durch alle Instanzen offen. Seine Opfer hingegen waren Richter Fuchs ausgeliefert:
„Der übliche Weg, zum Beispiel Zweifel an der Richtigkeit des Urteils anzumelden, ist bei Asylverfahren nicht möglich. Für Richter sei es bei diesen Kriterien ein Leichtes, die Urteile so zu formulieren, dass eine Berufung kaum möglich sei, kritisieren Experten.
Der SPIEGEL hat den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Gera gefragt, ob geplant sei, die bisherigen Urteile von Richter Fuchs nun unabhängig untersuchen zu lassen. Obhues teilt mit: »Eine Bewertung erfolgt nach Abschluss der Ermittlungen im eingeleiteten Disziplinarverfahren.«
Viele der Kläger sind inzwischen allerdings abgeschoben worden.“
Nun stellt sich die Frage nach den Konsequenzen für den Täter. Immerhin hetzte Fuchs zwischen 2007 und 2009 rund eintausend Mal unter seinem Klarnamen und mit seiner Dienstadresse in einem Internetforum vor fast 15.000 Korporierten.
Manche meinen: „Mehr Boomer geht nicht.“ Weit gefehlt: Er könnte Vertreter der Exekutive unter Klarnamen und Dienstadresse mit einer scharfen Fechtwaffe drohen. Am 11. September 2009, wenige Wochen vor seinem Wechsel zu bengtfuchs@yahoo.de, schrieb der „schlagende Turnerschafter“ auf TraMiZu:
„Wenn mich irgend eine Stelle der Executive auf dem Dienstweg oder außerhalb dessen anweisen wollte, wie ich in mir übertragenen Rechtsstreiten zu urteilen habe, gäbe es nur ein Kommando: Schläger frei!“ -
Mittwoch, 24.07.2024
Niemand muss Bulle sein, haben sich in Basel zu viele Bullen gedacht. Aufgrund der hohen Fluktuation bei der Basler Kantonspolizei wurde eine externe Untersuchung der toxischen Kultur im Korps angeordnet. Die entdeckte Korruption, Sexismus, Rassismus, Faschismus, Mobbing, Machtmissbrauch und Korpsgeist bei der unreformierbaren Polizei, aber schwieg über manches.
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Donnerstag, 25.07.2024
Die Antirakampagne „Für ein Recht auf Asyl“ basierend auf unserem Communiqué „Der Tradition keine Zukunft“ über den Asylrichter Bengt Fuchs hat sich diversifiziert. Nach bundesweiter Berichterstattung am 22. Juli mit Name und Foto folgte am 23. Juli mehr bundesweite und auch internationale Presse.
Allerdings mit ziemlich unterschiedlichen Zielgruppen: Das Neue Deutschland hatte mit „Alter Herr mit Internetschwäche“ ohne Frage die ironischste Überschrift des Tages, aber die krasseste hatte wie immer die BILD-Zeitung: „Krasse Vorwürfe am Verwaltungsgericht Gera: Asyl-Richter soll gegen Ausländer gehetzt haben“.
Der öffentlich-rechtliche MDR erklärte in Leichter Sprache, was der Fuchs auf TraMiZu so trieb:
„Die Internet-Seite gehört zu einer Studenten-Verbindung.
Sie heißt: Tradition mit Zukunft.
Auf der Internet-Seite hatte der Richter wahrscheinlich diesen Namen benutzt: Bengt-Christian Fuchs.
Und ab dem Jahr 2011 hat der Richter wahrscheinlich diesen Namen benutzt: Fuchs Benedikt.
Damit hat er bei Facebook geschrieben.
Das alles hat die Gruppe Autonome Antifa Freiburg nach-geschaut.“
Der konservative Telegraph aus London titelte nüchtern britisch: „Asylum judge accused of racist and homophobic comments“. Der Artikel lässt keinen Zweifel: der Täter ist überführt.
„A German judge who presides over asylum seeker cases has been accused of posting racist rants online about foreigners dragging Germany “back into the Stone Age”.
Bengt Fuchs, the vice-president of the Gera administrative court, is under investigation by the court’s presidium over a string of offensive online messages which he allegedly posted under the username “BeFuchs287”.
Mr Fuchs has denied he is the author of the posts and has suggested that they were written by someone trying to impersonate him.
German magazine Spiegel, which has tracked down the posts from the “BeFuchs287” account, said the offending messages belong to an account registered under Mr Fuchs’s work email address at the Gera administrative court.“
Das ARD-Mittagsmagazin (1:07:35) brachte am 24. Juni ein fuchsfeindliches Fernsehinterview mit der linken Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss aus Thüringen. Und am Abend sendete das MDR Thüringen Journal einen Fernsehbeitrag zu den Ermittlungen gegen den Geraer Richter Bengt Fuchs. -
Freitag, 26.07.2024
Zur Zeit läuft der Berufungsprozess gegen den AfD-Nazi Robert Hagerman wegen seines Messerangriffs am 12. Juni 2021. Hagerman war am 13. Dezember 2022 vom Amtsgericht in erster Instanz lediglich wegen seines Einsatzes von Pfefferspray verurteilt. Wegen gefährlicher Körperverletzung sollte er gerade einmal 120 Tagessätzen à 10 Euro zahlen. Verteidigt wurde er am Ende von der Nazianwältin Nicole Schneiders, die ihn auch im Berufungsverfahren wieder verteidigt. Noch immer leiden Hagermans Opfer unter den Folgen seines brutalen Angriffs. Aber sie leiden auch, weil Hagermans Messerangriff gar nicht erst angeklagt wurde. Das Urteil des Freiburger Landgerichts wird für den 30. Juli erwartet.
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Samstag, 27.07.2024
Wie auch wir berichteten, sind zum „Pfingstkongress“ des „Coburger Convents“ in Coburg „heuer zu Pfingsten weniger Teilnehmer gekommen als noch im vergangenen Jahr“. Woran das liegt, erklärte die Neue Presse Coburg am 23. Juli:
„Grund dafür sei gewesen, dass es nach internen Konflikten diesmal keine präsidierende Verbindung gegeben habe, teilte Michael Selzer, Abteilungsleiter Projekte/Veranstaltungen im Betriebssenat Coburg Marketing mit. Gezählt hat die Stadt demnach 2500 Teilnehmer plus einer unbestimmten Anzahl begleitender Frauen, ,die aber schwer zu schätzen ist‘. Im Jahr 2023 waren es 3000, dazu die Damen.“ -
Sonntag, 28.07.2024
Der Journalist Nils Seibert hat in der ak 705 eine Langzeit-Reportage zur „Alltagsbarbarei in Gerichtssälen“ fernab der Öffentlichkeit veröffentlicht. Am Beispiel des Amtsgerichts Berlin-Tempelhof zeigt Seibert, wie brutal gegen arme Menschen in Deutschland prozessiert wird. Das reicht vom einschüchternden Setting bis zu völlig überzogenen Strafen.
Im Fall der Außenstelle des Amtsgerichts Tiergarten befindet sich der Verhandlungssaal im Gebäude des Landeskriminalamtes Berlin am Tempelhofer Damm. Andernorts erfüllt oft die Architektur des Gerichtsgebäudes den Zweck der Einschüchterung im unmittelbaren Vorfeld des Prozesses.
Die exemplarischen Strafen sind dann auch oftmals drakonisch und auf Vergeltung, nicht auf Korrektur unerwünschten Verhaltens ausgerichtet. Viele Urteile deutscher Gerichte gegen Arme halten kein Maß, sondern dienen der Abschreckung der Abgehängten.
Nils Seibert formuliert es am Ende seiner Reportage so: „Prozessbeobachter*innen können teils tiefe menschliche Abgründe und eine alltägliche, oftmals normal empfundene staatliche Barbarei erleben. Wer noch an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz glaubt, wird hier eines Besseren belehrt.“ -
Montag, 29.07.2024
In der Nacht auf den 28. Juli wurde eine Scheibe des linken Freiraumprojekts Green Island in der Hesseröder Straße 8 im thüringischen Nordhausen von Rechten eingeworfen. Drei Personen warfen mit einer Flasche gegen ein Uhr ein Oberlicht des Schaufensters ein. Ein Vorfall von vielen in Thüringen: „Bereits eine halbe Stunde vorher konnten von einiger Entfernung aus Richtung der Grimmelallee rechte Parolen und Lieder gehört werden.“
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Dienstag, 30.07.2024
In Hamburg läuft zur Zeit der Rondenbarg-Prozess. Mit dem Prozess wird der Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 auch sieben Jahre danach noch juristisch verfolgt. Zumindest von der linken Presse werden die Verhandlungen beobachtet. Im August stehen die vier vermutlich letzten Prozesstermine an, es waren bereits zwanzig.
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Mittwoch, 31.07.2024
Am 30. Juli verkündete das Landgericht Freiburg das Urteil im Berufungsprozess gegen den Freiburger AfD-Nazi Robert Hagerman wegen gefährlicher Körperverletzung: seine Berufung wurde verworfen. Die Strafe aus dem erstinstanzlichen Urteil in Höhe von 120 Tagessätzen à 10 Euro wurde bestätigt. Die Kosten der Verfahrens, die der Nebenklage und das Honorar seiner Nazianwältin Nicole Schneiders muss Hagerman ebenfalls zahlen.
Es gab auch keinen „Langzeitrabatt“ wie von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagen, denn die Pandemie sei schuld an der langen Verfahrensdauer von drei Jahren. Hagerman ist bekanntlich Pandemieleugner, so dass ein Prozess in der Corona-Hochphase wegen erwartbaren Schwurblerprotesten zu risikoreich gewesen sei.
Der Tatkomplex wurde in drei Teile unterteilt: Der Tatablauf am 12. Juni 2021 bis zu Hagermans ersten Pfeffersprayeinsatz gegen die beiden jugendlichen Antifas, Hagermans zweiten Pfeffersprayeinsatz gegen die beiden ErsthelferInnen sowie als dritten Tatkomplex: Hagermans Messerangriff.
Das Verfahren im ersten Tatkomplex wurde eingestellt, da Hagerman provoziert worden sei. Es sei unklar geblieben, ob der Pfeffersprayeinsatz eventuell gerechtfertigte Notwehr war. Der zweite Tatkomplex war der Pferffersprayeinsatz gegen die NebenklägerInnen und nur dieser wurde verhandelt. Der dritte Tatkomplex war Hagermans Messerangriff, der gar nicht erst angklagt wurde, weil Notwehr nicht auszuschließen sei.
Verurteilt wurde Hagerman, weil er sich nicht in einem Tatsachenirrtum befand, er wurde selbst gar nicht berührt. Hagermans Nazi-Anwältin hatte seine Gewalt als Fehlreaktion aufgrund seiner Autismus-Erkrankung zu entschuldigen versucht. Autisten wie Hagerman können laut Gutachter sehr wohl zwischen Recht und Unrecht unterscheiden.
Wohl aber befand sich Hagerman nach Ansicht des Gerichts in einem Verbotsirrtum. Hagerman war bis zu seinem Schlusswort am vorletzten Verhandlungstag der Meinung, dass er die ihn beleidigenden Personen mit allen Mitteln verfolgen durfte. Die Richterin und die beiden Schöffen waren anderer Meinung.