Am 15. Dezember wurde Dubravko Mandic im Kaiserstuhlbrücken-Prozess vom Amtsgericht Freiburg wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung. Amtsrichter Schuller blieb mit seinem Urteil sowohl bei der Strafe als auch bei der Bewährungszeit beim gesetzlich vorgeschriebenen Minimum.
Verurteilt wurde Mandic in der ersten Instanz nur für den zweiten Pfefferspray-Angriff auf den Nebenkläger, der dank Hagermans Video bestens dokumentiert ist. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wäre Mandic vorbestraft im Sinne des polizeilichen Führungszeugnisses.
Neben der üblichen Bewährungsauflage der Meldepflicht des Wohnsitzwechsels muss Mandic innerhalb eines halben Jahres, nachdem das Urteil rechtskräftig geworden ist, 3.000 Euro an die Caritas Pflasterstub’ zahlen. Außerdem muss Mandic die Verfahrenskosten und die Kosten des Adhäsionsverfahrens sowie Schmerzensgeld samt Zinsen zahlen, allerdings wird über die Höhe des Schmerzensgeldes erst ein Zivilgericht entscheiden.
Am ersten Prozesstag wurden ZeugInnen vernommen und erst am zweiten Prozesstag machte Mandic eine Einlassung. Diese wurde später von Richter Schuller als kaum relevant für das Urteil bezeichnet, weil sie erst nach den Aussagen der ersten vier ZeugInnen geschah. Später folgte die Vernehmung weiterer ZeugInnen sowie der Vorführung der beiden von Hagerman gefilmten und von Mandic dem Staatsschutz übergebenen Videos, welche letztlich das wichtigste Beweismittel im Prozess waren.
Der dritte Verhandlungstag begann mit einem für Freiburg typischen Provinzskandal. Corona-bedingt waren an allen Tagen nur elf Sitzplätze vorgesehen. Da die Nazis zur Urteilsverkündung mobilisiert hatten, gab es bereits beim Einlass ein Gerangel um die wenigen Plätze. Ein Journalist von Radio Dreyeckland wollte den reservierten Presseplatz einnehmen, doch Richter Schuller entschied, dass dieser für den Journalisten der Badischen Zeitung freizuhalten sei, der später kam. Die Badischen Zeitung als Nutznießerin dieses Geschmäckles schiebt die Schuld auf die Nazis und Corona, nicht jedoch auf die eigene Monopolstellung.
Für diesen Prozesstag war Robert Hagerman als Zeuge vorgeladen worden. Er erschien mit seiner Rechtsanwältin Nicole Schneiders, die vergeblich versuchte, sich wegen Hagermans Asperger-Syndrom als Zeugenbeistand beiordnen zu lassen. Sie hatte auch nicht viel mehr zu sagen, als dass ihr Mandant von seinem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht.
Mandic’ Rechtsanwalt Jochen Lober widersprach und wollte Hagerman zu einer Aussage zwingen. Lober argumentierte, dass Hagerman kein Zeugnisverweigerungsrecht habe, da es sich um kein gemeinschaftliches Tatgeschehen handele. Sowohl Staatsanwalt als auch Richter erteilten Mandic’ und Lobers Sündenbockstrategie eine Absage und so wurde Hagerman entlassen.
Anschließend stellte Lober eine ganze Reihe von Anträgen. Teile des VS-Berichts sollten ebenso vorgelesen werden wie unser Communiqué. Andreas Schumacher, der damalige Sprecher des AfD-Kreisverbands, sollte als Wahlwerbungskoordinator vorgeladen und das beschädigte Wahlplakat in Augenschein genommen werden. Außerdem sollte der beim Staatsschutz der Freiburger Kriminalpolizei zuständige Bulle Aussagen über Linke machen.
Der Nebenklageanwalt Jens Janssen kommentierte die Antragsflut mit: „Ich bin ja schon froh, dass nicht Frau Merkel vorgeladen wurde.“ Damit wollte er vermutlich auf Mandic’ Prozess wegen Beleidigung und die Vorladung der Bundeskanzlerin anspielen und nicht etwa auf die sowohl am zweiten als auch am dritten Verhandlungstag anwesende Alicia Merkel, die bei der Kreistagswahl 2019 im Mittleren und Kleinen Wiesental für die AfD kandidiert hat.
Alle Anträge bis auf die beiden Verlesungen wurden abgelehnt. Also musste Richter Schuller die Seiten 239 bis 247 des baden-württembergischen Verfassungsschutz-Berichts 2019 vorlesen. Lober mokierte sich insbesondere über die Mollis auf Bullenwache im Juli 2019 und über ein Zitat aus der Alboffensive-Analyse: „So jammert die AfD über die Zerstörung ihrer Wahlplakate. Wir bewerten es eher als eine Form von Zivilcourage, wenn jemand rassistische oder nationalistische Parolen aus dem Straßenbild entfernt. Wir sagen daher laut: Dankschön an alle aktiven AfD- Gegner*innen!“
Danach hielt der Richter auf Antrag des Nazi-Verteidigers das Antifa-Plädoyer, indem das komplette Communiqué der Autonomen Antifa Freiburg vorgelesen wurde. Lober erklärte, dass die Infos in dem Communiqué nur von AugenzeugInnen stammen können und somit die ZeugInnen mit der Antifa unter einer Decke stecken müssen. Was das mit der gefährlichen Körperverletzung seines Mandanten zu tun hat, erklärte er nicht. Damit endete die Beweisaufnahme.
Es folgten die überraschend kurzen Plädoyers von Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigung und anschließend hatte der Angeklagte noch das letzte Wort. Staatsanwalt Florian Rink widersprach der Notwehr bei beiden Pfefferspray-Angriffen, die in seinen Augen „schlichtweg Selbstjustiz“ waren: „Der Angeklagte hatte Rachegedanken. Ein Jagdinstinkt war durchaus vorhanden.“ Rink forderte wie im Strafbefehl seiner Kollegin acht Monate auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung.
Der Rechtsanwalt des Nebenklägers Jens Janssen sprach die menschenverachtende NS-Ideologie an, die durch Mandic’ Wortwahl von dem zugegebenen „Zecke“, über das nachgewiesene „Mongo“ bis hin zum bestrittenen „Ratte“ deutlich wird. Außerdem wies er darauf hin, dass die Videosequenzen nicht alle von ZeugInnen beobachteten Pfefferspray-Angriffe des Angeklagten zeigen können.
Mandic’ Rechtsanwalt Lober versuchte wie erwartet eine zeitliche Zäsur des Tatgeschehens zu verleugnen, um Mandic’ Taten als Notwehr oder Nothilfe darstellen zu können. Wenn sich der eigene Nazi-Mandant allerdings selbst überführt, dann kann sein Nazi-Verteidiger auch nicht mehr viel retten und so erging sich Lober in dämlichen Fußballvergleichen.
Der Richter zielte mit seiner Urteilsbegründung insbesondere auf die zeitliche Reihenfolge, die sich vor allem aus den Videos ergab. So habe der gesamte Tatverlauf von dem Moment, in dem Mandic und Hagerman auf die Brücke fahren, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Polizei eintraf, ziemlich genau zehn Minuten gedauert. Zwischen den Pfefferspray-Angriffen auf dem Video lag aber mehr als eine Minute, in der allerlei Dinge geschahen, also handelte es sich mindestens bei dem zweiten Pfefferspray-Angriff aus nächster Nähe und ohne Not um eine gefährliche Körperverletzung.
Presse: RDL | BZ