Am 10. Dezember wurde der Kaiserstuhlbrücken-Prozess gegen Dubravko Mandic vor dem Amtsgericht Freiburg fortgesetzt. Das Verfahren gegen Robert Hagerman war am ersten Prozesstag abgetrennt worden. Zwar hat Hagerman damit im Mandic-Prozess ein Zeugnisverweigerungsrecht, aber Mandic drohte subtil mit Revision, sollte Hagerman nicht vorgeladen werden. Hagerman wird nun für den nächsten Verhandlungstag über seine Rechtsanwältin Nicole Schneiders geladen. Während des Prozesses lungerte Hagerman vor dem Gerichtsgebäude rum.
Richter Stefan Schuller verkündete zu Beginn des zweiten Prozesstages, dass die von Mandic’ Nazianwalt Jochen Lober am ersten Prozesstag gestellten Befangenheitsanträge in der Zwischenzeit vom Richter am Amtsgericht Nils Klein abgelehnt worden waren.
Der Antrag des Nebenklageanwalts auf einen rechtlichen Hinweis wurde von Richter Schuller ebenfalls abgelehnt. Die Nebenklage wollte mit dem Antrag erreichen, dass auch eine Verurteilung wegen Beleidigung möglich wird, obwohl Staatsanwalt Florian Rink keine Anklage wegen Beleidigung erhoben hatte. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass der Richter zu diesem Zeitpunkt des Prozesses noch nicht vom Strafverfolgungswillen des Nebenklägers innerhalb der dreimonatigen Strafantragsfrist überzeugt war.
Mandic hat bisher keinen Eintrag im Bundeszentralregister, da seine Verurteilungen wegen Beleidigung und Nötigung noch nicht rechtskräftig sind. Er sagte am zweiten Tag dann doch noch zur Sache aus und wurde anschließend vernommen. Wenig überraschend wich Mandic’ Aussage an den für eine Verurteilung entscheidenden Stellen von den Aussagen der anderen ZeugInnen ab. Er versuchte seine Handlung als Nothilfe oder sogar Notwehr darzustellen und gab vor: „Ich hatte Angst vor [seinem Opfer], auch wenn ich nicht so aussehe.“ Allerdings konterkarierte Mandic seine eigenen Schutzbehauptungen immer wieder mit Sätzen wie: „Der Einsatz von Pfefferspray ware das mildere Mittel, auch für [sein Opfer].“
Nach zweieinhalb Stunden Narzissmus und Schmierentheater wurde anschließend der erste von insgesamt sechs ZeugInnen vernommen. Gehört wurden zwei Polizisten, die am Tatort waren, eine junge Frau, die ihren Hund Gassi führte, eine Joggerin, der Polizist vom Funktisch sowie ein Staatsschutzbulle. Zusammen mit dem Abhören von Mandic’ Notruf und ganz großem Kino am Ende dauerte auch dieser Prozesstag fast neun Stunden.
Der erste Polizeizeuge war sichtlich genervt von Mandic. Er war am Tattag vor Ort auf der Kaiserstuhlbrücke und musste sich mit Mandic herumärgern, der sich als Chef aufspielte, Befehle gab und die Erstvernehmung der letzten Zeugin vom ersten Prozesstag sabotierte. Der Polizist überquerte die Brücke, um die Zeugin zu befragen und Mandic folgte im Entenmarsch. Während der Befragung mischte sich Mandic immer wieder raumgreifend ein, zweifelte die Glaubwürdigkeit der Zeugin an und erklärte sie für befangen.
Der Polizeizeuge sagte mehrfach aus, dass Mandic ihm berichtet habe, dass das Handgemenge zwischen Hagerman und dem Nebenkläger bereits abgeschlossen war, als Mandic das Pfefferspray eingesetzt hat. In den Worten des Zeugen: „Beim Schlag mit der Blechschere waren Sie noch vor Ort. Erst dann sind Sie zum Auto gegangen.“ Der Zeuge wunderte sich über Mandic’ Dummheit: „Ich dachte mir, Herr Mandic, Sie sind doch Rechtsanwalt, wieso erzählen Sie mir das?“
Außerdem sagte der Polizeizeuge aus, dass Hagerman ihm ein selbstgefilmtes Video der Auseinandersetzungen habe zeigen wollen. Allerdings schaffte es Hagerman technisch nicht, das Video vor Ort vorzuführen. Der Polizist beschlagnahmte daraufhin nicht etwa die Kamera oder zumindest die Speicherkarte. Er rechtfertigte sich vor Gericht damit, dass Hagerman ja schließlich selbst auf die Videos hingewiesen habe. Schon mal was von Beweisvereitelung gehört?
Der zweite Polizeizeuge vom Revier Nord war ebenfalls auf der Kaiserstuhlbrücke und hatte dort dem verletzten Nebenkläger geholfen. Insofern konnte er wenig zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Im Verhör antwortete der Polizist auf Mandic’ Frage „Haben Sie Erfahrungen mit mir gemacht?“ sympathisch direkt: „Ihre laute und unangenehme Art ist bekannt.“ Wie jeder Narzisst versuchte auch Mandic die höfliche, aber vernichtende Kritik zu relativieren. Allerdings erhielt er auf sein „In Polizeieinsätzen?“ als Antwort: „Nein, generell.“
Die dritte Zeugin war an dem Tag mit ihrer sehschwachen Mutter unter der Brücke auf einem Spaziergang mit ihrem kleinen Hund. Ihrer Darstellung nach wurde der Nebenkläger unmittelbar nach seiner Ankunft angegriffen. Er habe versucht zu fliehen, aber ihm wurde direkt ins Gesicht gesprüht: „Da war nicht einmal ein Meter Abstand zwischen.“ Wie alle anderen ZeugInnen widerlegte auch diese Zeugin Mandic’ Lüge, er habe sich gegen eine Übermacht von drei Personen verteidigen müssen.
Die vierte Zeugin war eine Joggerin Anfang 30, die mit Kopfhörern auf voller Lautstärke und gesenktem Blick auf die Kaiserstuhlbrücke lief. Als sie hochschaute, setze Mandic das Pfefferspray zum ersten Mal gegen den Nebenkläger ein. Dieser habe starke Schmerzen gehabt und sich an den Rand der Fahrbahn hingesetzt. Mandic habe sich ungefragt in das Gespräch zwischen ihr und der letzten Zeugin des ersten Tages eingemischt. Die Zeugin erkannte den Angeklagten im Gerichtssaal zuerst nicht und beschwerte sich sehr offen und unverblümt über Mandic’ machistisches Auftreten: „Der sah aus wie von einer Sicherheitsfirma.“
Der fünfte Zeuge war ebenfalls vom Polizeirevier Nord, allerdings war er am Funktisch gewesen. Während seiner Zeugenaussage wurde Mandic’ zweiter Anruf bei der Polizei vorgespielt. Mandic beleidigt in dem Telefonat mit der Polizei den Nebenkläger: „Bleib stehen, du Mongo!“ Die Freiburger Polizei hatten den zweiten Notruf als Beweis für die Beleidigung gespeichert. Die behindertenfeindliche Beleidigung versuchte Mandic als normalen Umgangston unter Freunden zu verkaufen.
Der letzte Polizeizeuge war der Sachbearbeiter des Falls vom Freiburger Staatsschutz. Mittlerweile sei er im „Phänomenbereich Ausländerextremimus“ beschäftigt. Vor allem ihm stellten die Nazis an diesem Tag sehr interessante Fragen zur Arbeits- und Organisationsweise der Polizei. Diese wurden aber kaum beantwortet, mehrfach berief sich der Bulle auf das „Dienstgeheimnis“. Auch zur Autonomen Antifa Freiburg wurden dem Zeugen viele Fragen gestellt, zu denen er leider meist keine Antwort wusste. Der Staatsschutzbulle sagte aus, dass sein Chef, der stellvertretende Inspektionsleiter, wohl die beiden Radfahrer erkannt habe. Er signalisierte jedoch, dass auch dieser keine Details zum Freiburger Staatsschutz vor Gericht verraten werde.
Der Politbulle hatte die ZeugInnen in den Wochen nach der Tat vernommen. Insbesondere sagte er aus, dass der Nebenkläger ihm gegenüber einen klaren Strafverfolgungswillen geäußert habe. Später bat der Nebenkläger den Richter seine Ablehnung des Antrags auf einen rechtlichen Hinweises in Bezug auf eine Verurteilung wegen Beleidigung zu überdenken. Richter und Staatsanwalt einigten sich darauf, die Beleidigung als minderschweres Delikt im Falle einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nicht weiter zu verfolgen.
Nach den Zeugenvernehmungen drängte der Staatsanwalt darauf, endlich die beiden Videos „in Augenschein zu nehmen“. Die Nazis hatten die Videos, auf denen sie sich selbst bei Straftaten gefilmt haben, nicht etwa vernichtet. Vielmehr hat Mandic sie dem Staatsschutz auf einem USB-Stick übergeben. Nur hatte der Staatsanwalt die Videos bis zu diesem Tag noch nicht gesehen: „Ich bin bestimmt der einzige im Raum, der die Videos noch nicht gesehen hat.“
Auf den Videos ist zu sehen, wie Mandic und Hagerman auf die Brücke fahren und aussteigen. Statt zu den Linken zu gehen, geht Hagerman an den Kofferraum und bewaffnet sich mit einer Metallschere. Später ist zu sehen, wie der verwundete Nebenkläger taumelnd versucht zu fliehen und Mandic ihm aus nächster Nähe und ohne Not noch einmal Pfefferspray ins Gesicht sprüht. Strafbar als gefährliche Körperverletzung.
Presse: RDL