Am 13. Dezember wurde Robert Hagerman vom Amtsgericht Freiburg wegen seines Pfeffersprayangriffs am 12. Juni 2021 nach § 224 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung zu 120 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt (26 Cs 800 Js 18686/21). Zusätzlich muss Hagerman die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Nebenklage tragen. Nach dem ersten, zweiten, dritten und vierten Prozesstag wurde am fünften Prozesstag noch ein Zeuge vernommen, bevor die Beweisaufnahme geschlossen wurde. Anschließend hielten Oberstaatsanwalt Florian Rink, Nebenklageanwältin Stefanie Heinrich, Nebenklageanwalt Nicolai Erschig, Hagermans Naziverteidigerin Nicole Schneiders und schließlich Hagerman selbst ein Plädoyer, bevor Amtsrichterin Julia Rajczak ihr Urteil verkündete.
Einziger und letzter Zeuge des Tages war der Leiter der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie an der Freiburger Uniklinik, Prof. Dr. Dieter Ebert, ein routinierter Gutachter vor Gericht. Hagerman behauptete, dass bei ihm Asperger-Autismus diagnostiziert worden sei und nach Schneiders Willen sollte Ebert Hagerman verminderte Schuldfähigkeit oder am besten vollständige Schuldunfähigkeit bezeugen. Allerdings weigerte Hagerman sich bereits im Erstgespräch mit Ebert, diesen von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Allein auf Grundlage der Prozessakte konnte Ebert jedoch kein Gutachten zum Sachverhalt erstellen, weshalb er nur allgemeine Aussagen über Asperger-Autismus machen konnte, nicht jedoch solche zu Hagerman oder dessen Verhalten am Tattag. Generell sei bei Asperger-Autismus eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB denkbar, aber eine vollständige Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB könne jedenfalls ausgeschlossen werden.
Kurz vor Schließung der Beweisaufnahme provozierte Schneiders noch einmal den Nebenkläger, indem sie ihm irrelevante Fragen zu einem Videoclip vom Tattag stellte und Richterin Rajczak einen Aktenvermerk des Politbullen Bernhard Kurz zu polizeilichen Ermittlungsverfahren gegen den Nebenkläger aus den letzten 30 Jahren vorlesen ließ.
Staatsanwalt Rink fasste in seinem Plädoyer den Sachverhalt zusammen, schloss der Reihe nach § 32 StGB Notwehr und § 33 StGB Notwehrexzess und Putativnotwehr aus und mochte „in dubio pro reo“ die Anwendung verminderter Schuldfähigkeit nicht ausschließen. Er zog Parallelen zu Hagermans Handlungen im Kaiserstuhlbrückenverfahren und betonte die politische Dimension des Verfahrens. Rink beantragte 120 Tagessätze und damit 40 Tagessätze mehr als im Strafbefehl, was allerdings angesichts der Schwere der Tat und des Strafrahmens von einem halben bis zu zehn Jahren eine sehr niedrige Forderung ist.
Die NebenklageanwältInnen kritisierten die Dreiteilung des Tatgeschehens in ersten Pfeffersprayangriff, zweiten Pfeffersprayangriff und Messerangriff durch Polizei und Staatsanwaltschaft und insbesondere die skandalöse Nichtanklage des Messerangriffs. Auch würdigten sie das mutige Eingreifen des Nebenklägers: „Er war nicht zur falschen Zeit am falschen Ort, sondern zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“
Nicole Schneiders zeichnete in ihrem Plädoyer Hagerman abwechselnd als armes rechtes Opfer im bösen linken Freiburg und als durchgeknallten, aber in-sich-konsequenten Täter, der sich aufgrund einer angeblichen Asperger-Diagnose in einer eingebildeten Notwehrsituation befunden habe. Sie versuchte alles Linke und alle als Linke zu diffamieren, konnte aber „Good night right side“ nicht von „Good night white pride“ unterscheiden. Wie unter NazianwältInnen üblich, forderte sie Freispruch für ihren Mandanten. Hagerman erzählte zum Schluss noch einmal selbst wirr den Ablauf seiner Tat ohne Reue zu zeigen.
Amtsrichterin Rajczak schloss sich dem Staatsanwalt an.
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