Jürgen Schützinger hatte kein glückliches Händchen bei seinem Todes-Timing. Der ehemalige baden-württembergische Landesvorsitzende von „Die Heimat“/NPD entschied sich ausgerechnet für den 22. Februar 2024: Gerade noch lange genug, um die Massenproteste gegen rechts mitzuerleben. Nach taz-Zählungen gab es in den Wochen vor Schützingers Tod 1.250 Demos mit bis zu 4,9 Millionen TeilnehmerInnen in Deutschland, darunter auch mehreren tausend in seiner Heimatstadt Villingen-Schwenningen.
Schützinger wurde am 29. Mai 1953 in Schwenningen geboren, kam nicht weit und ist auch dort gestorben. Seine Mutter Liselotte saß zeitweise mit ihrem Sohn im Gemeinderat, seine Ehefrau Reinhild Ufermann-Schützinger war RNF-Funktionärin und einer seiner Söhne, Rudolf Schützinger, scheiterte als NPD-Nazi.
Seit 1970 war Jürgen Schützinger Bulle, seit 1978 NPD-Landesvorsitzender und seit 1980 NPD-Gemeinderat in Villingen-Schwenningen, weswegen er 1982 Berufsverbot erhielt. Danach wurde er Weinhändler und saß von 1984 bis 2019 im Kreistag.
Innerhalb der NPD kämpfte der Ex-Bulle Schützinger mit harten Bandagen, beispielsweise mit Provinz-Swatting: Am 9. Juli 1988 löste er eine Hausdurchsuchung bei dem kurz zuvor abgesetzten NPD-Kreisvorsitzenden von Konstanz aus: Torsten Paproth. Mit dessen Ausschluss war Schützinger zuvor gescheitert. Nach der NPD-Sitzung wurde Paproth zu Hause von der Polizei erwartet, die kurz zuvor einen anonymen Hinweis erhalten hatte, dass Paproth „Waffen und Munition“ zu Hause lagere.
Ende der 1980er Jahre war Schützinger hauptsächlich Alkoholiker, hauptberuflich Bundesgeschäftsführer der NPD in Stuttgart, gleichzeitig baden-württembergischer Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender. Auf dem NPD-Bundesparteitag im Juni 1991 in Herzogenaurach wurden Jürgen Schützinger und Martin Mußgnug entmachtet. Zusammen mit Walter Seetzen wurden die drei fortan als „Verräterriege“ bezeichnet.
Schützinger und Mußgnug gründeten daraufhin 1991 die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ (DLVH). Bundesvorsitzende neben Schützinger wurden die ehemaligen „Republikaner“ (REP) Harald Neubauer und Rudolf Kendzia. Nach der Deckert-Phase der NPD war Schützinger erneut von 2005 bis 2013 Landesvorsitzender der NPD Baden-Württemberg und weiterhin DLVH-Stadtrat in Villingen-Schwenningen.
CDU-Oberbürgermeister Roth wollte Schützinger 2019 für dessen „verdienstvolle und langjährige Tätigkeit im Gemeinderat das Verdienstabzeichen des Städtetags Baden-Württemberg in Gold mit Lorbeerkranz“ verleihen, aber der Städtetag cancelte die Naziehrung in letzter Minute. Schützinger hatte angekündigt, bei den diesjährigen Kommunalwahlen nicht erneut zu kandidieren.
Großspurig forderte Jürgen Schützinger erst 2017 in seinem „Ludwigsburger Aufruf“ und dann 2019 in seinem „Pforzheimer ,Appell an die Vernunft!‘“ ein Bündnis aller „gleich bis ähnlich denkenden Patrioten“ und zielte dabei auf den „Höcke-Flügel“ der AfD. Noch 2022 war Mandic bei Schützinger: Bei der Jahreshauptversammlung des Kreisverbands Schwarzwald-Baar war Dubravko Mandic aus Freiburg zu Gast bei der NPD.