An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg tobt ein Streit um Benjamin Hasselhorn, neurechter wissenschaftlicher Mitarbeiter von Peter Hoeres, selbst neurechter Professor für Neueste Geschichte. Benjamin Hasselhorn war Schüler von Karlheinz Weißmann. Also nicht nur im neurechten Sinne, sondern wörtlich: Weißmann war Hasselhorns Geschichtslehrer in Northeim.
Benjamin Hasselhorn, geboren am 9. Mai 1986, machte 2004 sein Abitur auf dem Gymnasium Corvinianum in Northeim. Danach studierte er bis 2008 Evangelische Theologie, Geschichte und Pädagogik in Göttingen und Mainz und war bis 2011 Promotionsstudent in Systematischer Theologie an der HU Berlin. Von Berlin zog Hasselhorn nach Passau.
Im September 2013 wurde Benjamin Hasselhorn AfD-Mitglied, Mitgliedsnummer: 10573954. Später war Hasselhorn Mitglied im AfD-Bezirksverband Berlin-Neukölln.
Nach seiner Promotion 2014 arbeitete Hasselhorn als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt und seit 2019 als Akademischer Rat auf Zeit an Hoeres Würzburger Lehrstuhl, wo er sich 2024 habilitierte. 2020 war Hasselhorn Sachverständiger im Hohenzollernstreit im Kulturausschuss des Bundestages – auf Einladung der CDU.
2022 schrieb der Infoticker Passau auf Twitter unter dem Titel „Neurechter Professor lehrt an der Uni Passau“ einen „Thread über eine neurechte Karriere“, aus dem wir aus X Gründen in epischer Länge zitieren. Es handelte sich um die Karriere von Hasselhorns „Doktorvater“ in #Passau: Hans-Christof Kraus, Professor für Neuere und Neuste Geschichte.
„Kraus studierte bis 1984 in Göttingen. Im gleichen Jahr begann er, gemeinsam mit u.a. Karlheinz Weißmann, einem der zentralen Akteure der sog. Neuen Rechten, die rechte Zeitschrift „Phönix“ herauszugeben. Dies tat er bis 1986.
1984 arbeitete er ebenfalls an der rechten Zeitschrift „Fragmente“ mit und steuerte einen Artikel über Oswald Spengler bei. Auch bei dieser Publikation war Weißmann beteiligt.
Spengler ist Teil der „konservativen Revolution“, einer Theorieströmung, die Ende d. 20er dem NS den Weg bereitete, allerdings seit ‘45 von Rechtsradikalen als lediglich „konservativ“ umgedeutet wird, um faschistisches Gedankengut unter diesem Label erneut salonfähig zu machen.
Die Beschäftigung mit der „konservativen Revolution“ sowie ihren Vertretern scheint ein zentraler Schwerpunkt in Kraus Forschung zu sein, den er immer wieder, sowohl in Beiträgen als auch in Seminaren, aufgreift.
1988 und 89 arbeitete Kraus an der ebenfalls rechten Zeitschrift „Etappe“ mit, ab 1990 veröffentlichte er mehrere Jahre lang in der rechtsradikalen Zeitschrift „Criticón“. Ebenfalls 1990 schrieb er für die rechtsradikalen „Blätter der deutschen Gildenschaft“, mutmaßlich ist er selbst Mitglied in einer Gilde.
1989 hielt er einen Vortrag bei der Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft, einem Zusammenschluss „welcher durch seine Tätigkeit (Informationsdienst, Theoriehefte und Tagungen) breitenwirksam für das gesamte Lager des Rechtsextremismus wirken will“.
1993 steuerte er ein Kapitel in dem Buch „Westbindung: Chancen und Risiken für Deutschland“ bei, das von Karlheinz Weißmann und Rainer Zitelmann herausgegeben wurde und klar der Neuen Rechten zugeordnet werden kann.
Eine Distanzierung 1994, um einen Preis annehmen zu können, ist wenig glaubwürdig – so veröffentlichte Kraus auch danach weiter in rechten Publikationen und mit rechten Akteuren.
So schrieb Kraus 1997 an einer Festschrift für den rechtsradikalen Caspar von Schrenck-Notzing mit, zu dessen „Lexikon des Konservatismus“ er bereits gemeinsam mit Weißmann einen Eintrag beigesteuert hatte, und veröffentlichte 98 erneut in den „Blättern der dt. Gildenschaft“.
Schrenck-Notzing gilt als führender Vertreter der „Neuen Rechten“, auf dessen Betreiben hin die „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK), ein zentraler Raum der „Neuen Rechten“ in Berlin gegründet und 2012 eröffnet wurde.
2000 schrieb Kraus erneut (wie auch Weißmann) ein Kapitel in Schrenck-Notzings Buch „Stand und Probleme der Erforschung des Konservatismus“ und veröffentlicht 3 Jahre später selbst ein Buch in der selben Schriftenreihe – in dem auch Weißmann einen Beitrag bekommt.
Weißmann hatte inzwischen (2000) gemeinsam mit Götz Kubitschek das „Institut für Staatspolitik“ (IfS), den wohl bekanntesten „Thinktank der neuen Rechten“ gegründet – die enge Zusammenarbeit führte Kraus scheinbar unbeirrt weiter. So schrieb Kraus 2010 am 2. Band des „Staatspolitisches Handbuch“, welches vom #IfS herausgegeben wird, mit.
Dort hören die Verbindungen von Kraus zum IfS nicht auf: Erik Lehnert, der seit 2008 leitende Funktionen im IfS innehat, veröffentlichte ein Kapitel im von Kraus 2010 herausgegebenen Sammelband „Das Thema Preußen in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vor und nach 1945“.
Auch Schrenck-Notzings Bibliothek des Konservatismus wird erneut relevant: bei deren Eröffnung 2011 durfte Kraus die Festrede halten und 2015 hielt er dort einen Vortrag über Bismarck – zu der Zeit war die Bedeutung der #BdK für die extreme Rechte schon weithin bekannt.
Von dieser 30 Jahre andauernden Vernetzung in der Neuen Rechten hat sich Kraus bis heute mitnichten distanziert. Im Gegenteil, er veröffentlicht bis heute weiter in rechten bis radikal rechten Publikationen: So in den ultrarechten Zeitschriften „Tumult“ (2017) und „Cato“ (2019, 2020), zu letzterer steuern auch Karlheinz Weißmann oder Hans-Georg Maaßen Artikel bei, im August 2020 gab Kraus der „Jungen Freiheit“ ein Interview zur Gründung des deutschen Kaiserreiches.
Neben den bereits benannten neurechten Akteuren ist Kraus durch Kooperationen an Veröffentlichungen auch mit weiteren zentralen Persönlichkeiten der neuen bis extremen Rechten verstrickt: So beispielsweise mit dem ebenfalls wegen seinen Verbindungen in die neue Rechte in Kritik stehenden Frank-Lothar Kroll, dem neurechten Eberhard Straub, Autor im Antaios-Verlag (des IfS) und Redner auf Akademien des IfS.
Spannend ist auch Benjamin Hasselhorn, dessen Doktorvater Kraus war und der vor zwei Jahren in der Kritik stand, als er als Sachverständiger im Hohenzollern-Streit hinzugezogen wurde.“
Benjamin Hasselhorn veröffentlichte unter anderem unter dem Pseudonym „Martin Grundweg“ Artikel in der neurechten Publikation „Sezession“ und unter dem Pseudonym „Wolfgang Kaiser“ in der „Blauen Narzisse“. Heutzutage ist Hasselhorn höchst unerfreut über die Forderungen des Studierendenparlaments „Gegen neurechte Diskursverschiebung in der Lehre“ vom 12. März 2025. Darunter:
„Wir fordern Benjamin Hasselhorn dazu auf, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, nicht unter einem Pseudonym in der „Sezession“ veröffentlicht zu haben. Diese Forderung erheben wir, da wir der Analyse der Konrad Adenauer Stiftung zustimmen, nach der das vermeintlich von Benjamin Hasselhorn verwendete Pseudonym im Diskurs der Neuen Rechten dafür eintrat, dass eine "metapolitische Delegitimierung [des liberalen Systems] im Sinne einer radikalen Alternative [einer populistischen Massenmobilisierung] vorzuziehen sei. Diese müsse mit dem Mehrheitsprinzip brechen und eine neue Elitenherrschaft begründen." (Konrad Adenauer Stiftung)
Eine solche Haltung ist absolut unvereinbar mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und verlangt nach endgültiger Klärung durch Herrn Hasselhorn.“
Nachdem an der Uni Würzburg der Streit hochkochte, hat sich das CSU-geführte bayerische Staatsministerium für Wissenschaft in den Streit eingeschaltet. Und zwar auf Seiten des Präsidiums der Würzburger Uni und Hasselhorn Chef Hoeres und nicht zuletzt auf Seiten Benjamin Hasselhorns, der ist schließlich mittlerweile CSU-Mitglied.
Die Aufregung ließ bei Dutzenden Konservativen die berühmten Äderchen in den Pausbäckchen platzen, zumindest lassen das die „Cancel-Culture“-Rufe und der „Aufruf zur Unterstützung von Prof. Peter Hoeres und PD Dr. Dr. Benjamin Hasselhorn gegen die Rufmordkampagne an der Universität Würzburg“ vermuten. Und die AfD sekundiert mit einem Dringlichkeitsantrag im bayerischen Landtag, im rechten Neusprech: „Freiheit der Lehre an bayerischen Hochschulen schützen“.
Im DISS-Journal #48 vom November 2024, der Zeitschrift des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, schreibt Maarten van Melis über Hans-Christof Kraus und Dimitrios Kisoudis:
„Im Folgenden soll der Kampf der beiden ideologischen Linien innerhalb der AfD und der Neuen Rechten im Kontext des Ukraine-Krieges ausführlicher dargestellt werden. Dabei werden Dimitrios Kisoudis‘ Buch „Mitteleuropa und Multipolarität“ (2023), erschienen im Antaios-Verlag, und der am 17. Mai 2024 in der Jungen Freiheit veröffentlichte Artikel „Phantomschmerz im Kreml“ von Hans-Christof Kraus analysiert.
Dimitrios Kisoudis ist seit 2022 Grundsatzreferent des AfD-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und tritt durch verschiedene Veröffentlichungen hervor, die sowohl in der Sezession als auch im Antaios-Verlag erschienen sind, was eine inhaltliche Nähe zu Götz Kubitschek und dem (ehemaligen) IfS nahelegt.
Hans-Christof Kraus, Historiker an der Universität Passau, publiziert hingegen in der Jungen Freiheit und ist ebenso wie der Chefredakteur der JF, Dieter Stein, Mitglied in der Deutschen Gildenschaft.
Die Fokussierung auf die Europa-Konzepte von Kraus und Kisoudis begründet sich also aus der personellen Vernetzung sowie den ideologischen Unterschieden der Autoren, die den internen Kampf der AfD und ihres Vorfeldes widerspiegeln und durch die Haltung zum Ukraine-Krieg besonders deutlich zutage getreten sind.“
Die antifaschistischen Veröffentlichungen zu Kraus hatten schon 2022 „Cancel Culture“-Rufe zur Folge. Auch die Leitung der Passauer Universität in Form ihres Universitätspräsidenten Prof. Dr. Ulrich Bartosch stellte sich damals hinter ihren neurechten Professor. Nur, was hatte Kraus so in Rage versetzt?
Es war die Erwähnung seiner Mitgliedschaft in der „Deutschen Hochschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen“ in der „Deutsche Gildenschaft“ (DG), der völkischen Verbindung von Götz Kubitschek.
Die Antifagruppe Völkische Verbindungen Kappen veröffentlichte im Februar 2023 und im Mai 2023 weitere Belege für Kraus’ Mitgliedschaft in Kubitscheks Göttinger Nazigilde, darunter:
„In der Ausgabe der “Blätter der deutschen Gildenschaft” aus dem März 1998 durfte Hans-Christoph Kraus einen Beitrag zur “menschlichen Kultur zwischen geschichtlicher Tradition und revolutionärer Veränderung” beisteuern.
Außerdem wird in der ersten Ausgabe des Jahres 1997 “unserem Bbr. H.-Chr. Kraus” für seine Beteiligung an einem Sammelband mit dem Thema “Große Deutsche” gedankt.“
Der ehemalige DG-Sprecher Kubitschek forderte im April 2025 „eine andere Machtstruktur im Wissenschaftsbetrieb – eine von Normalität geprägte Struktur also, die liberal-konservative, hervorragend ausgebildete Wissenschaftler wie Hoeres und Hasselhorn einfach in Ruhe forschen und lehren läßt.“