Samstag, 17.02.2024

In der Kleinstadt Leoben (sprich: Lee•oo•ben) in der Steiermark befindet sich Österreichs einzige Hochschule für Berg- und Hüttenwesen. Leoben hat gerade einmal 25.000 EinwohnerInnen, darunter 4.000 Studierende. Trotzdem ist es nach Graz die zweitgrößte Stadt der Steiermark im Süden Österreichs zwischen dem Burgenland im Osten und Kärnten im Südwesten.
Aber Leoben hat zwölf Studentenverbindungen, darunter sechs „schlagende“: „Corps Schacht“, „Corps Montania“ und „Corps Erz“ (KSCV), „Burschenschaft Cruxia“ und „Burschenschaft Leder“ (DB), „Sudetendeutsche Landsmannschaft Zornstein“ (SLÖ-Verein, „fakultativ schlagend“), „VDSt Leoben“ (VVDSt), „ATV Leoben“ (an ATB angegliedert), „KÖStV Glückauf Leoben“ und „KÖStV Kristall“ (ÖCV) und die beiden „Damenverbindungen“ „CÖStV Liupina Leoben“ (VCS) und „ADV Barbara“.
Die „Kleine Zeitung“, die zweitgrößte Kauftageszeitung Österreichs, beschrieb in einem Artikel vom 2. Februar die Verankerung der Korporationen im Leobener Universitätsleben:
„Sie erheben Stimme und Säbel bei akademischen Festen, stehen bei der Übergabe von Matrikelscheinen in Reih und Glied, stellen Coleurhäuser als Schlafstätten bereit oder begleiten die Studenten mit ,Bierauszügen‘ in die Sommerferien.“
Der alte Rektor Wilfried Eichelseder war Ehrenmitglied der „KÖStV Glückauf Leoben“, aber seit dem 1. Oktober 2023 hat die Leobener Uni ein neues Rektorat unter einem neuen Rektor: Peter Moser. Kaum im Amt kündigte der neue Unirektor eine „strategische Neupositionierung der Montanuniversität“ hin zu „Green Tech“ an. Dabei hat Moser die Korporationen als Hindernis seines angestrebten „Imagewandels“ identifiziert:
„Das neue Rektorat will jetzt eine Trennlinie zwischen Universität und den Korporationen ziehen, ein Vorhaben, das für Leobener Verhältnisse einer Kulturrevolution gleicht. So müssen die studentischen Verbindungen in Hinkunft allen akademischen Feiern auf universitärem Boden fernbleiben. Sie sind als stimmkräftige, stilprägende Umrahmung nicht mehr erwünscht.“
Daraufhin brach unter Korporierten insbesondere bei der Burschenpartei FPÖ ein Sturm der Entrüstung aus. Der steirische Nationalrat Hannes Amesbauer, „Alter Herr“ der „Akademischen Burschenschaft Oberösterreicher Germanen in Wien“ in der „Deutschen Burschenschaft“ will eine Anfrage an Bildungsminister Martin Polaschek stellen, welcher der steirischen ÖVP nahesteht.
Norbert Hofer, „Ehrenmitglied“ der „Pennal-conservativen Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld“, FPÖ-Nationalrat und Österreichs Dritter Nationalratspräsident, appellierte „angesichts der langen Tradition von Verbindungen in Leoben an die Einsicht der Universitätsleitung“. Der FPÖ-Politiker Andreas Mölzer, „Alter Herr“ des „Corps Vandalia Graz“, des „Corps Montania Leoben“ und des „Pennalen Corps Austria zu Knittelfeld“, bettelte gar: „Auch Burschenschaften verdienen Respekt.“
Vor allem aber dürfte die weitestgehend geräuschlose Lobbyarbeit des „Österreichischen Cartellverbands“ (ÖCV) bei der ÖVP erfolgreich gewesen sein. Das Ergebnis ist in einem Artikel vom 10. Februar in der Kleinen Zeitung nachzulesen: „Der Kompromiss, der sich abzeichnet: Couleurstudenten dürfen weiterhin an den akademischen Feiern teilnehmen, allerdings nicht mehr in der prominenten Position hinter den Professoren und dem Rektor der Uni.“
Auch wenn die „Kulturrevolution“ in Leoben ausgeblieben ist, setzte schon der Versuch den schwelenden Streit um die Mithaftung bei Skandalen der Nazikorporationen entlang der Fechtfrage in Flammen. Christian Krainer, „Alter Herr“ der „KÖHV Europa-Kopernika Graz“ und „KÖHV Carolina Graz“, Vorsitzender des Altherrenbundes Steiermark“ des ÖCV, distanzierte sich in einem Gastkommentar vom 7. Februar von „schlagenden Korporationen und Burschenschaften“ und mahnte: „Das Wissen um das Couleurstudententum hat Aufholbedarf in der Gesellschaft.“
Das sehen wir genauso. Erinnern wir uns an die Liederbuchaffäre vom Oktober 2019:
„,Es lagen die alten Germanen‘ findet sich nämlich nicht nur in dem [Liederbuch des ,Pennalen Corps Austria zu Knittelfeld‘] sondern auch in dem Kommersbuch des österreichischen Cartellverbands (ÖCV), dem ,Österreichischen Studenten‐Liederbuch Gaudeamus‘ wie auch bis vor einigen Jahren auf der Homepage des Mittelschüler-Kartell-Verbands (MKV). Steiermarks ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist Ehrenmitglied zweier Verbindungen und steht Donnerstagnachmittag plötzlich im Fokus. Christian Krainer, Vorsitzender des Altherrenlandesbundes Steiermark des ÖCV, bestätigt, dass das Lied in früheren Auflagen des Kommersbuches zu finden war.“
Die letzte Auflage des ÖCV-Liederbuchs sei von 1983, sagte Krainer zu seiner Verteidigung. Zumindest vor 40 Jahren sangen die katholischen Korporierten also noch:
„Es lagen die alten Germanen zu beiden Seiten des Rheins, sie lagen auf Bärenhäuten und tranken immer noch eins. Da trat in ihre Mitte ein Römer mit deutschem Gruß: Heil Hitler, ihr alten Germanen, ich bin der Tacitus.“