Der Missbrauchsskandal der Freiburger CDU um Matern von Marschall wird gleichzeitig thematisiert und verschwiegen. Die Welt, der SWR, die Badische Zeitung, der Südkurier, der Schwarzwälder Bote und wieder die Badische Zeitung haben Artikel zum Thema veröffentlicht, doch niemand nennt den Namen des Täters: „Nennen wir ihn einfach mal Mister X“.
Die Badische Zeitung hat mittlerweile in einem Nebensatz bestätigt, dass unsere Information zutreffen und die BZ mindestens seit 2018 von dem Skandal wusste, aber sich gegen eine Veröffentlichung entschieden hat. Doch nicht nur das, die BZ hat nach eigener Aussage bereits 2018 den baden-württembergischen Innenminister und CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl darauf angesprochen.
In der Justiz war der Fall Matern von Marschall seit 2018 bekannt, sehr wahrscheinlich bis hoch zum damaligen baden-württembergischen Justizminister und vormaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Guido Wolf. Es ist üblich, dass Staatsanwälte über brisante Fälle ihre Vorgesetzten informieren und sowohl die Schwere des Tatvorwurfs als auch das offensichtliche öffentliche Interesse sprechen dafür, dass dieser Fall als brisant eingestuft wurde.
In einem solchen Fall informiert der ermittelnde Freiburger Staatsanwalt oder die ermittelnde Staatsanwältin üblicherweise den Freiburger Oberstaatsanwalt Michael Mächtel, dieser den leitenden Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer und dieser den damaligen Generalstaatsanwalt Uwe Schlosser, welcher das Landesjustizministerium informiert, welches schließlich den Justizminister unterrichtet. Das war zu dieser Zeit der CDU-Politiker Guido Wolf.
Kurz nach der skandalösen Einstellung des Verfahrens wegen schweren sexuellen Missbrauchs gegen Matern von Marschall im Jahr 2019 wurde ausgerechnet Generalstaatsanwalt Uwe Schlosser von Justizminister Guido Wolf am 1. Juli 2020 zum ehrenamtlichen Opferbeauftragten des Landes Baden-Württemberg berufen.
Schon mit dem ersten Bericht über den Skandal war klar, dass Matern von Marschalls Umfeld Bescheid wusste. Die Welt beruft sich auf „ein Dokument, in dem der Fall anlässlich der Verfahrenseinstellung auf mehreren Seiten unter Bezug auf die Inhalte der Ermittlungsakte ausgebreitet worden ist“. Demnach habe Matern von Marschall in seinem Umfeld „durchaus über die besondere Beziehung geredet. Gegenüber einem Vertrauten habe er von einem ‚jahrelangen Liebesverhältnis‘ gesprochen. Auch einem anderen Freund gegenüber bestätigte der Politiker eine intime Beziehung zu der jungen Frau, deren Firmung er einst als Pate begleitete.“
In Matern von Marschalls Wohnort March-Neuershausen bei Freiburg geht der Skandal gerade von Mund zu Mund – auch wenn viele nur hinter vorgehaltener Hand über den Freiherrn reden wollen, denn schließlich zahle „das halbe Dorf Erbpacht“ an die von Biebersteins.
In der CDU rumort es derweil weiter. Mittlerweile fordert nicht nur die CDU Südbaden Matern von Marschall zum Austritt aus der Partei auf, sondern auch die Junge Union „personelle Konsequenzen, sollten Personen in der Partei seit längerem von den Vorwürfen gegen den Betroffenen gewusst haben und nicht nur einer rechtlichen Schweigeverpflichtung nachgekommen sein.“ Mit anderen Worten: Die JU fordert den Rücktritt des Freiburger CDU-Stadtrats Peter Kleefass. Matern von Marschall selbst will auf keinen Fall aus der CDU austreten. Das sei für ihn „eine Frage der Ehre“.