Montag, 06.06.2022

Die Recherchekollektive Forensic Architecture aus London und Forensis aus Berlin haben im Auftrag der Opferfamilien eine Rekonstruktion des Polizeieinsatz nach dem Nazianschlag von Hanau am 19. Februar 2020 erstellt. Ihre Ergebnisse sind vernichtend: Nach den neun Morden fuhr der Täter Tobias Rathjen zu seinem Wohnhaus, wo er erst seine Mutter und danach sich selbst erschoss. Der Hubschraubereinsatz in der Tatnacht war eine einzige, unkoordinierte Katastrophe. Aber immerhin gab es so einige wenige Minuten Wärmebildkameramaterial vom Wohnhaus des Täters. Darauf ist nachvollziehbar, wie unprofessionell der gesamte Einsatz ablief und wie viel Zeit die Bullen verstreichen ließen, bevor sie schließlich erst nach Stunden das Haus stürmten, als Mutter und Sohn bereits tot waren.
Mittels eines computerunterstützten Audioexperiments wurden die drei Schüsse des Täters nachgestellt, um herauszufinden, wer sie wo hätte hören müssen. Die Lokalbullen waren offensichtlich von der Situation komplett überfordert und fingen bewaffneten Streit mit Hells Angels an, statt das Wohnhaus des Täters zu überwachen, jedenfalls wollen sie keine Schüsse gehört haben. Die Nazibullen vom Frankfurter SEK haben ebenfalls behauptet, in der gesamten Nacht keine Schüsse am Wohnhaus gehört zu haben. Das kann nach der Rekonstruktion des Recherchekollektive nur wahr sein kann, wenn die Polizei entgegen eigener Angaben das Haus nicht lückenlos überwacht hat, wenn der Täter also hätte fliehen können, wenn die Polizei also lügt. Die Aussagen des rechtsradikalen Vaters des Täters, Hans-Gerd Rathjen, wurden ebenfalls der Lüge überführt: Er muss die Schüsse im Haus gehört haben.
Bereits im Dezember 2021 hatte Forensic Architecture nachgewiesen, dass am Tatort Arena Bar der verschlossene Notausgang Leben gekostet hat. Dass die Gäste der Bar nicht versuchten, durch den Notausgang zu entkommen, stützt die These, dass sie wussten, dass die Fluchttür verschlossen war. Die Bullen sollen eine Absprache mit dem Betreiber der Bar gehabt haben: Der Notausgang ist immer zu, damit bei Polizeirazzien niemand fliehen kann. Das Verfahren gegen die Besitzer wurde eingestellt.