Nichts ist vergessen!
2015 jährt sich zum 70. Mal das Ende des Nationalsozialismus und der Vernichtung des europäischen Judentums. Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Auschwitz ist zur Chiffre für das Wesen des Nationalsozialsmus geworden: millionenfacher Mord, eiskalt und maschinell.
Aber die Nazis brauchten für den Holocaust nicht nur Eisenbahnen, Hollerith-Maschinen und Zyklon B. Sie brauchten auch Heizer, Sekretärinnen und SS-Männer, um die Infrastruktur des Todes aufrecht zu erhalten. Ohne die „kleinen Rädchen“ wären keine Jüdinnen und Juden deportiert, auf Lochkarten erfasst oder in Gaskammern erstickt.
Es ist aber nur schwer zu ertragen, wenn die Badische Zeitung diese vermeintlich „kleinen Rädchen“ verharmlost. Oder – wie vor drei Tagen geschehen – einem SS-Mann zum 90. Geburtstag gratuliert, einem „fleißigen Sammler von historischen Daten“, der sich „um seine Heimat verdient gemacht“ habe. Der Träger der Landesehrennadel aus Ettenheim-Münchweiher sei zudem „in der Hilfsgemeinschaft ‚Alte Kameraden‘“ aktiv.
Tatsächlich ist Adolf Zanger Funktionär der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS“. Im Juli 2006 wurde in Ettenheim das 33. Treffen der HIAG von Antifas gestört an dem sich nie zuvor jemand gestört hatte. Genausowenig wie am Haus der Waffen-SS in Zähringen.
Betrieben wird das „Kriegsversehrtenheim“ von der Veteranenorgansation der lettischen Waffen-SS. Über Jahrzehnte war das Anwesen Ziel ehemaliger SS-Männer aus Lettland, die sich in Freiburg erholten. Auch der SS-Arzt Mengele genoss bis 1944 den Blick über Freiburg – von seinem Haus in der Sonnhalde 81 in Herdern.
Josef Mengele wurde zum Inbegriff unfassbarer Grausamkeit im Namen der Wissenschaft. Er floh 1949 über eine der „Rattenlinien“ der katholischen Kirche nach Argentinien. Nicht so Waldemar Hoven, der Lagerarzt von Buchenwald, aus der Hansastraße 9 in Herdern.
Hovens Eltern Jakob Peter Max und Carola waren finanzielle FörderInnen der SS. Waldemar Hoven wurde für seine Morde und medizinischen Menschenversuche im KZ Buchenwald 1948 erhängt. Ebenso erging es Eduard Krebsbach, dem Vertragsarzt der Polizeidirektion Freiburg und späteren Lagerarzt von Mauthausen.
Krebsbach zündete am 10. November 1938 die Freiburger Synagoge an. Später wurde er Mitglied der SS-Division Totenkopf. Im KZ wurde Krebsbach wegen seine Morde per Gift-Injektion „Dr. Spritzbach“ genannnt. Als Standortarzt ließ er die Gaskammer im KZ Mauthausen installieren.
Dank Freiburger ForscherInnen wissen wir heute auch von Freiburger SS-Männern wie Emil Maier und Gustav Borell. Sie arbeiteten als Straßenbahnschaffner oder Angestellter der Kreispflegeanstalt bevor sie SS-Wachkompanien in KZs befehligten. Freiburgs Geschichte ist untrennbar mit den Morden der SS verbunden, doch 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus sind fast alle Täter tot.
Fast alle.
Hier in der Julius-Brecht-Straße 29 wohnt Herbert Göhler, ein Mitglied der SS, über dessen Taten geschwiegen wird. Wir stehen heute vor dem Haus eines Täters, einem von 2.000 SS-Männern aus Südbaden. Wir klagen ihn an, weil es in all den Jahrzehnten niemand getan hat.
Nichts ist vergeben!
Communiqué und Fotos