Mit nun bekannt gewordenem Beschluss vom 01. Februar 2023 (Az.: 1 BvR 1336/20) hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von fünf Betroffenen des linksunten.indymedia.org-Verbotes nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer*innen hatten gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2020 Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben und die Verletzung mehrerer Grundrechte, insbesondere die Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie die Verletzung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, gerügt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Klagen mit der Begründung zurückgewiesen, die Beschwerdeführer*innen dürften nicht im eigenem Namen gegen das Verbot vorgehen, da sich nur der „Verein“ linksunten.indymedia.org gerichtlich gegen das Verbot wenden dürfe.
Zeitgleich zu dem Verbot der von Seiten des Bundesministerium des Innern (BMI) zum Verein erklärten Nachrichten-Plattform wurde gegen die vermeintlichen Betreiber*innen der Plattform ein Ermittlungsverfahren wegen Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB durch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe eingeleitet.
Die Beschwerdeführer*innen hatten im eigenen Namen geklagt, da eine Klage als Verein einen Vereinsbeschluss des vermeintlichen Vereins und eine Bestätigung der Beschwerdeführer*innen vorausgesetzt hätte, dass es den Verein unter Anwendung des Vereinsrechts tatsächlich gibt. Dies wurde seitens der Beschwerdeführer*innen stets bestritten und geltend gemacht, dass die Maßnahmen im Verbotsverfahren (das Verbot selbst, Durchsuchungen, Beschlagnahmen etc.) nicht auf das Vereinsgesetz hätten gestützt werden dürfen.
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerden mit der Begründung nicht zur Entscheidung an, dass die Beschwerdeführer*innen nicht als Verein geklagt hätten. Zwar wäre bei einer gemeinsamen Klage eine Selbstbelastung mit Blick auf das Strafverfahren zu befürchten gewesen. Eine solche Äußerung durch die gemeinsame Klage oder durch ein Bekenntnis, Mitglied dieses Vereins zu sein, sei aber im Strafverfahren nicht gänzlich verwertbar gewesen.
Bei linksunten.indymedia.org handelte es sich um ein Nachrichten- und Kommunikationsportal, für welches der durch das Grundgesetz gewährleistete Schutz der Pressefreiheit gilt. Das Verbot wurde ausschließlich mit Medieninhalten begründet. Die Darstellung des BMI und des Bundesverwaltungsgerichts, man habe mit dem Verbot nicht vorrangig die Internetplattform, sondern die dahinterstehende Personenvereinigung treffen wollen, halten die Betroffenen weiter für vorgeschoben. „Das eigentliche Ziel des BMI war und ist die Abschaltung der Plattform, die dem BMI ein Dorn im Auge war. Das Vereinsgesetz war ein rechtswidrig angewendetes Mittel zum Zweck – es hätte das Telemediengesetz Anwendung finden müssen und eine vollumfängliche Grundrechtsprüfung ermöglicht“, führt RAin Angela Furmaniak, eine der Prozessbevollmächtigten, aus.
„Immerhin stärkt die Entscheidung Beschuldigtenrechte, indem sie ein Beweisverwertungsverbot für Angaben von Beschuldigten in Verwaltungsverfahren ins Spiel bringt“ ergänzt Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune die Einordnung der Entscheidung des BVerfG.
Dass nun eine inhaltliche Grundrechtsprüfung weiterhin unterbleibt, ist dennoch ein Verlust für den Schutz der Pressefreiheit. Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts war und ist auch für andere Internetportale und Publikationen hochgradig problematisch. „Wenn sich die Verbotsbehörde aussuchen kann, auf welcher Rechtsgrundlage sie gegen missliebige Inhalte von Medien vorgeht, wird die Pressefreiheit ausgehebelt. Hier keinen individuellen Rechtsschutz zu ermöglichen und diesen im verwaltungsgerichtlichen Weg nur unter der Maßgabe einer Selbstbelastung überhaupt zu ermöglichen, halten wir weiterhin für rechtsstaatswidrig“ so Rechtsanwalt Sven Adam.
Für Rückfragen stehen die aufgeführten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.
RAin Angela Furmaniak, Lörrach
RA Dr. Lukas Theune, Berlin
RA Sven Adam, Göttingen