In Erlangen wurden am 10. Februar 2023 zwei Mitglieder einer „Turnerschaft“ im Rahmen eines Fechtduells von Mitgliedern einer „Burschenschaft“ schwer verletzt, einer davon lebensbedrohlich. Anders als üblich wurde der Vorfall publik, weil die Verletzungen des einen Korporierten so schwer waren, dass ein Krankenwagen gerufen werden musste. Auch wenn die Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, steht zu befürchten, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wie in solchen Fällen üblich einstellen wird, obwohl bewaffnete Ehrenhändel in Deutschland illegal sind. Wir veröffentlichen den Tathergang, dokumentieren die öffentliche Berichterstattung und fassen die internen Reaktionen der Korporierten zusammen, damit endlich eine Diskussion über die militaristischen Männlichkeitsrituale der „schlagenden Studentenverbindungen“ stattfinden kann.
Das Duell
Am 10. Februar 2023 fand auf dem Haus der Burschenschaft Germania in der Universitätsstraße 18 in Erlangen ein Fechtduell mit scharfen Blankwaffen zwischen zwei Korporationen statt, eine sogenannte „Pro Patria-Suite“. Bei dieser Art von Duell kämpfen mehrere Mitglieder einer schlagenden Studentenverbindung nacheinander mit geschärften Klingen gegen die gleiche Anzahl Mitglieder einer anderen Verbindung. Eine „PP-Suite“ ist nicht mit einer „Mensur“ zu verwechseln. Der Zweck einer „Mensur“ ist es, „seinen Mann zu stehen“. Ganz anders hingegen bei einer „PP-Suite“: Sie dient der Ausfechtung von Ehrenhändeln, meist nach vorherigen Beleidigungen.
Bei dem Duell zwischen der Erlanger Burschenschaft Germania im Süddeutschen Kartell und der Turnerschaft Munichia Bayreuth im Coburger Convent handelte es sich um eine „dreigliedrige Fechtfolge“, es kämpften also drei „Burschen“ gegen drei „Turner“. Am 31. Januar informierte der „Consenior“ Franc Vidmar „mit treuen Munichengrüßen“ seine „lieben Bundesbrüder“ von der „Turnerschaft Munichia Bayreuth im CC“ über die „PP-Suite 10. Februar 2023“:
Hiermit möchte ich Euch herzlich zu unserer PP-Suite mit der B! Germania Erlangen einladen. Diese wird am 10. Februar 2023 in Erlangen bei der B! Germania (Universitätsstraße 18, 91054 Erlangen) ausgetragen. Anhieb wird 18h st sein. Für Munichia fechten:
I. Chevalier (2. Partie)
II. Degener (2. Partie)
III. Vidmar (2. Partie)Im Anschluss an die stattfindende Austragung werden wir adH den Abend feucht-fröhlich ausklingen lassen. Wir würden uns sehr freuen, möglichst viele begrüßen zu dürfen.
Bei „Degener“ dürfte es sich um Julius Degener und bei „Chevalier“ um Kilian Chevalier handeln. Gekämpft wurde „auf Erlanger OCC-Comment“, also nach den Regeln des „Fechtcomments des ENB OCC-Waffenrings“, wobei OCC für „Ortsverbände des Coburger Convents“ und ENB für „Erlangen / Nürnberg / Bayreuth“ steht. Darin gibt es ein eigenes Kapitel mit „PP/PC-Richtlinien des OCC-ENB Paukverhältnisses“, also gesonderten Regeln für Zweierduelle („Persönliche Contrahagen“) und Gruppenduelle („Pro Patria-Suiten“).
Die Verletzungen
Im Laufe des Duells wurden zwei Mitglieder der Munichia durch ihre Gegner der Germania so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. In der Sprache der Korporationen: Es gab zwei „klinische Abfuhren“. Während der erste Verletzte noch ohne Rettungswagen in die Erlanger Universitätsklinik gebracht werden konnte, waren die Verletzungen beim zweiten Duellanten so schwer, dass ein Transport lebensbedrohlich gewesen wäre. In den Worten des Nürnberger Rechtsanwalts und „Alten Herrn“ des Erlanger Corps Pomerania Silesia Bayreuth im Weinheimer Senioren-Convent Constantin Freiherr von Stockmar von Wangenheim:
Es gab eine Knochenrille und beim zweiten Paukanten konnte eine Arterie nicht geschlossen werden. Nachdem niemand mehr schwere Folgen einer Mensurverletzung haben will, ruft man eben den Sancar.
Dr. Detlef Hornig aus Kronach in Oberfranken von der Turnerschaft Alemanno-Palatia Erlangen – selbst Facharzt für Chirurgie und „Paukarzt“, aber am Tattag nicht anwesend – führt noch detaillierter aus:
Beide Klinikvorstellungen waren med. indiziert, im ersten Fall wegen eines ,Knochenlappens’, der ca 1 cm tief in die Kalotte eindrang und an einer Kante anhaftend senkrecht nach oben stand. Er ließ sich mit sanfter Gewalt nicht reponieren ohne ihn abzubrechen.
Der zweite hatte einen satten sauberen Terz-Treffer mit starker Artillerie Blutung an 2 Stellen. Trotz aller Tricks der (im übrigen erfahrenen) beiden Paukärzte gelang es nicht, die Blutungsquellen zu eliminieren.
Trotz 1,5 l kristallisier Infusion kippte der Kreislauf weiter ab, der Paukant maß 190 cm. Ein Transport die Treppen hinab zum Auto schien bedenklich.
Mit „Artillerie“ dürfte „arteriell“ gemeint sein, auch wenn der „Freiherr von und von“ gegenüber Jörg Haverkamp von der Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia an anderer Stelle zum gleichen Thema tatsächlich von „Artillerie“ spricht:
Ich kenne noch Paukärzte, die seelenruhig alles geflickt haben und dabei erzählt haben, wie sie in ihrer Jugend unter Artilleriebeschuss an der Ostfront als Chirurgen tätig wären. Und natürlich hatten Sie Schuhe und mussten unter freiem Himmel mit einer groben Nadel arbeiten. Die haben sich dann auch beim Nähen die Zigarre halten lassen und dem Fuchs verboten auf den Paukanten zu brechen, wenn es ihnen schlecht wurde. Das waren noch Zeiten.
Die Klinik
Die Entscheidung, wegen der lebensbedrohlichen Verletzungen einen Krankenwagen zu rufen, wurde korporationsintern heftig kritisiert. Der „Paukarzt“ Detlef Hornig hätte beispielsweise anders gehandelt:
Wie kann ein Paukarzt so blöde sein und die Rettung rufen, wenn die Uni-Klinik 200 m entfernt ist !!
Korporierte Juristen wie der „Alte Herr“ der Marburger Burschenschaft Germania und der Burschenschaft Hannovera Göttingen Roland Richter schärften den anderen „Waffenstudenten“ ein, niemals den Rettungsdienst zu rufen:
Selbst wenn die Uniklinik 2 km entfernt ist: immer direkt hin bringen.
Das ist meine Empfehlung als Jurist.
Grund: Wenn die Rettung feststellt, dass die Verletzungen durch scharfe Klingen verursacht wurden, muss sie die Polizei informieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das tut, ist hoch.
Diese Aufmerksamkeit braucht keiner.
Andreas Dietrich aus Hamburg vom Corps Franco-Guestphalia Köln pflichtete ihm bei:
Hat mich bei der Krankenhausabfuhr meines Lbf eine Menge Überzrugungsarbeit bei den Sanis, in der örtlichen Klinik und später in Uniklinik gekostet. Wir hatten ein sch*** Glück, dass wir am Ende an einen schwer tätowierten Pfleger geraten sind, der das mit dem Fechten total geil fand und mir sofort geglaubt hat, dass das Thema abgeurteilt und legal ist. Und das Ohr sieht heute auch wieder fast normal aus
Würde ich definitiv nicht mehr so machen. Und glaub mir, da waren genug Spektanten, die die Sanis noch auf den Paukboden durchleiten wollten... Konnte das zum Glück noch abwenden. Ich weiß nicht, ob das so glimpflich abgelaufen wäre, hätten die die gesamte Szenerie gesehen.
Auf Nachfrage erläutert Detlef Hornig sein Prinzip, unter keinen Umständen den Notruf zu wählen:
Es ist blöde, weil 1. die Rettung nicht der Schweigepflicht unterliegt und gesetzlich verpflichtet ist, bei Körperverletzung die Polizei zu verständigen und weil 2. die Chirurgie selbst wenn man den Patienten hinträgt schneller erreichbar ist als mit der Rettung und weil jetzt 3. die politische Diskussion um ein Mensurverbot wieder angestoßen wird und weil 4. ein Arzt, der mit einer blutenden Verletzung nicht notfallmäßig umgehen kann, in der Versorgung Unfallverletzter eine Fehlbesetzung ist.
Die „SPD-Fechtsau“ Alexander Kliesch von der Landsmannschaft Brandenburg zu Berlin, der Landsmannschaft Sorabia-Westfalen Münster und der Landsmannschaft Troglodytia Kiel erklärt den versammelten Korporierten dann auch noch einmal explizit, wie sie die ärztliche Schweigepflicht zur Vertuschung gefährlicher und schwerer Körperverletzungen missbrauchen können – unterstützt durch die oft gut vernetzten und professionell auftretenden „Paukärzte“:
In Wirklichkeit geht es doch nicht in erste Linie um den Paukarzt.
Wenn er Klinikabfuhr etc. entscheidet, dann ist das OK.
Es geht darum, einen Fuxen anrufen zu lassen.
Ein erfahrener Bundesbruder hätte 112 angerufen, und Sportverletzung angegeben.
Als mir vor unendlich langer Zeit beim Sekundieren der Daumen subtotal amputiert wurde (Ab da kauften alle Bünde Ketten- und späterhin Kevlar Handschuhe), sagte einer der anwesenden Paukärzte, dass ich sofort mit dem Privat PKW eines Bundesbruders ins Krankenhaus gefahren werden solle, das ginge schneller, und vermeide Ärger. Hier kommt das oben genannte Argument der ärztlichen Schweigepflicht zum Tragen.
So geschah es dann auch. Außerdem rief der Paukarzt dann vorab im Krankenhaus an, und erklärte den Sachstand.
Constantin Freiherr von Stockmar von Wangenheim sekundiert und berichtet sogar von einem weiteren Fall aus Erlangen, bei dem ein „Paukant“ im Rahmen einer „Persönlichen Contrahage“ schwer verletzt wurde:
Schon Recht, man muss aber jetzt in Erlangen noch vorsichtiger sein. Bereits vor nicht allzu langer Zeit gab es eine PC mit einem Treffer, der bis auf die Zähne ging. Der Paukant wurde ins Krankenhaus gebracht und irgendein Superheld hatte nichts besseres zu tun als einem Film zu drehen und Fotos zu machen,um diese knapp 20 Minuten später ins Internet zu stellen. Bereits damals waren alle schlagenden Verbindungen vor Ort begeistert über diese Öffentlichkeitsarbeit. Fechten ist zwar gesund und macht Spaß, wie Sie sagen, aber es bleibt gefährlich.
Das Duell zwischen der Burschenschaft Germania Erlangen und der Turnerschaft Munichia Bayreuth führte also zu zwei Schwerverletzten. Außergewöhnlich ist das nicht, aber die weitere Entwicklung sorgte für Aufregung bei schlagenden Verbindungen in ganz Deutschland: Die bei der „Pro Patria-Suite“ anwesenden „Paukärzte“ entschieden sich für Klinik und Notruf, die Rettungsleitstelle informierte die Polizei, die Polizei eröffnete ein Ermittlungsverfahren und veröffentlichte eine Pressemitteilung und die Presse berichtete darüber.
Nur wenige hundert Meter vom Haus der Germania Erlangen entfernt befindet sich das Universitätsklinikum Erlangen. Schockiert von der Schwere der durch geschliffene Klingen verursachten Verletzungen veröffentlichte die Radiologie die MRT-Aufnahmen des einen Verletzten und kommentierte die Bilder:
Z.n. Mensur in der Burschenschaft. Dabei wurde wie üblich gern ein geschärftes Schwert verwendet.
Befund: Schalige Knochenfragmente des linken Os frontale mit Frakturspaltdehiszenz bis 0,5 cm nach Fechtverletzung.
Galeahämatom links frontal.
Der Jurist Roland Richter riet von rechtlichen Schritten gegen die Veröffentlichung ab:
Ich würde hier gar nichts unternehmen. Das gibt nur den Streisand Effekt, wenn wegen Veröffentlichung dieser Aufnahmen rechtliche Schritte unternommen werden.
Die örtlichen Waffenstudenten (auch die an anderen Orten) sollten sich viel mehr Gedanken dazu machen, dass ein Rufen der Rettung zu vermeiden ist. Dazu gehört zu prüfen, was für Klingen im Einsatz waren. Verletzungen am Schädel können vorkommen. Allerdings sollten vor Ort bei entsprechend fortgeschrittenen Mensuren auch Ärzte sein, die das behandeln können.
Die Medienöffentlichkeit, die hier erzeugt wurde, dürfte auch versicherungsrechtliche Folgen haben. Denn die Krankenversicherung wird den Regress beim Gegenpaukanten versuchen oder die Übernahme der Heilbehandlungskosten kritisch prüfen.
Trotzdem nahm die Klinik nach Druck durch Korporierte die Beschreibung des Vorfalls wieder offline.
Die Polizei
Am 10. Februar um 18 Uhr sollte die „Pro Patria-Suite“ beginnen. Die „Polizeiinspektion Erlangen-Stadt“ berichtete in ihrer Pressemitteilung, dass sie bereits um 20 Uhr von der Rettungsleitstelle informiert wurde. Sie ahnte allerdings nichts von einem Duell zwischen zwei Bünden und schrieb deshalb verharmlosend von einer „Fechtveranstaltung“ in den „Räumlichkeiten einer Erlanger Burschenschaft“. In der Überschrift ist sogar fälschlicherweise von „Mensur“ die Rede, später im Text ebenso falsch von „Wettkampf“. Dass es sich bei den verwendeten Waffen nicht um „Degen“ handelt, ist dabei fast nebensächlich:
Zwei Personen bei Mensur mit Degen verletzt
Bereits am Freitag erlitten zwei Teilnehmer an einer Fechtveranstaltung in einer Erlanger Studentenverbindung Kopfverletzungen und mussten zur Behandlung in eine Klinik eingeliefert werden.
Gegen 20 Uhr verständigte die Rettungsleitstelle die Erlanger Polizei nachdem eine Person mit einer stark blutenden Kopfverletzung in den Räumlichkeiten einer Erlanger Burschenschaft versorgt werden musste.
Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem 21-jährigen Verletzten um einen Teilnehmer an einer Fechtveranstaltung. Der junge Mann erlitt bei dem Wettkampf eine Schnittwunde am Kopf. Im Rahmen der Ermittlungen stellten die Polizeibeamten fest, dass kurze Zeit vorher schon eine Person mit einer Kopfverletzung in die Klinik eingeliefert wurde. Auch diese verletzte Person hat an dem Fechtkampf in der Studentenverbindung teilgenommen.
Beide Personen erlitten bei dem Wettkampf mittelschwere Verletzungen.
Die Polizei hat Ermittlungen wegen Gefährlicher Körperverletzung aufgenommen.
Die verharmlosenden Falschdarstellungen und fachlichen Fehler der Polizei fanden anschließend auch ihren Weg sowohl in die Lokalpresse als auch in die überregionale Presse. Polizei und Presse wurden wenig überraschend zum Gespött der Korporierten.
Die Presse
Am 13. Januar berichtete die Lokalpresse auf inFranken.de: „Fechtwettkampf unter Studenten nimmt schlimmes Ende“. Am 14. Januar erschien der Artikel in der gedruckten Zeitung unter der Überschrift „Studenten bei Mensur verletzt“. Im Text heißt es hier: „Am Freitag ist in einer Erlanger Studentenverbindung eine Fechtveranstaltung aus dem Ruder gelaufen. (...) Der junge Mann erlitt bei dem Mensur genannten Fechtkampf eine Schnittwunde am Kopf“. Auch in anderen Veröffentlichungen ist lediglich von einer „Schnittwunde am Kopf“ die Rede.
T-Online hatte irgendwo aufgeschnappt, dass eine „Mensur“ das „Selbstbewusstsein und die Konzentration stärken“ soll – kein Wort davon, dass mit scharfen Waffen Ehrstreitigkeiten blutig ausgefochten wurden. Der Artikel endet mit folgendem Satz:
Es werde geprüft, ob sich bei den Kämpfen alles ordnungsgemäß abgespielt habe. Etwa ob, Schutzkleidung oder Kopfbedeckung getragen wurde. Die Ermittlungen dauern an.
Auch der Münchner Merkur moniert im Text, dass der „Fecht-Wettbewerb [...] offenbar ohne Schutzkleidung“ stattfand. Zur Bebilderung wählte das Blatt wie auch andere Zeitungen ein irreführendes Symbolbild, das Helme mit Schutzmasken zeigt, wie sie während des Trainings, aber nie während des Fechtkampfs verwendet werden. Schließlich ist es ja der Sinn einer „Mensur“ und erst recht einer „Pro Patria-Suite“, schwere Kopfverletzungen in Kauf zu nehmen. Deshalb darf der Kopf nur durch eine spezielle Brille geschützt werden und im Erlanger „Comment“ wird der Verzicht auf wirksamen Kopfschutz explizit vorgeschrieben:
Paukbrille mit Nasenschutz. Sie darf nur mit höchstens 20 mm breiten Lederriemen befestigt werden; Stahl-, Blechplatten- oder Gewebebewehrung ist zulässig, soweit sie zum Schutz gegen das Durchschlagen des Riemens dienen. Das Nasenblech muss mit der Nasenspitze abschließen. Die Paukbrille darf höchstens 15 mm über die Augenhöhle hinausragen.
Entsprechend hämisch reagierten die Mitglieder schlagender Verbindungen auf den Merkur-Artikel. Christian Schuldes von der Akademischen Turnverbindung Greifswald schrieb:
Der beste teil ist ja wohl: „offenbar ohne die übliche Schutzbekleidung“ und damit meinen die offensichtlich nicht die Mensurbrille. Das mit Maske gefochten wird, kenne ich sonst nur von baltischen Korporationen.
Der Rechtsanwalt Eberhard Frohnecke von der Burschenschaft Arkadia-Mittweida Osnabrück spottete:
„Offenbar ohne Schutzkleidung.“
Wie krass! :D
Jesco Lippert vom Corps Normannia Berlin kommentierte trocken:
Inwiefern ist das was „aus dem Ruder gelaufen“. Dass es auf die Nase gibt, ist doch Sinn der Sache.
Gerald Esterer von der Schülerverbindung Rugia Salzburg und dem Corps Teutonia Graz, ehemaliger Funktionär der FPÖ-Organisation „Ring Freiheitlicher Studenten“ und mit der „Identitären Bewegung“ vernetzt, schlug vor, mit Hetze auf negative Presse zu reagieren:
Wir sollten eigentlich anfangen schlechte Berichterstattung mit Negativ-Bewertungen zu strafen. So wie wir das damals beim Hofbräukeller gemacht haben.
Auch misogyne Pöbeleien wurden in der Männerrunde geäußert, hier durch den Unternehmensberater Christian Schütz, Mitglied im FPÖ-nahen österreichischen „Freiheitlichen Akademikerverband“:
Ich würde mal tippen, dass das eine Frau geschrieben hat. So leicht mitfühlend und emotional....
Und obwohl in den bisherigen Presseveröffentlichungen die Dimension des illegalen Duells völlig fehlt, reagierten Korporierte mit Besorgnis. Gerald Esterer schrieb an andere Mitglieder schlagender Verbindungen gerichtet:
Man darf das nicht unterschätzen. Mensurfechten ist nur deshalb keine Körperverletzung weil es strafrechtlich als sozialadäquat eingestuft wird. Das kann sich aber auch schnell ändern, vor allem wenn Mensurverletzungen ständig öffentlich gemacht werden.
Die Justiz
Das deutsche Justizwesen ist durchsetzt von Korporierten. Selbst wenn Richter und Staatsanwälte nicht selbst „Alte Herren“ einer Studentenverbindung sind – was im Vergleich zu anderen Berufsarten weit überproportional der Fall ist – so haben Korporierte doch den gleichen „Stallgeruch“: männlich, weiß, elitär, arrogant und rechts. Nicht anders ist es bei der Polizei, auch wenn Korporierte diese eher als „proletarische Untergebene“ ansehen. Ihre Erwartungshaltung brachten die Korporierten dann auch in diesem Fall zum Ausdruck.
Marvin Maack, Mitglied der Burschenschaft Adelphia Würzburg und der Burschenschaft der Krusenrotter zu Kiel und ehemaliger Funktionär der „Jungen Alternative“, gab sich siegessicher:
Da passiert doch sowieso nichts rechtlich…
Ambros Josef Tazreiter, Mitglied der Corps Symposion Wien, Flaminea Leuven und Vandalia-Teutonia Berlin und einer von vielen Korporierten in der AfD, prognostizierte ebenfalls eine Einstellung:
Wird schon keiner gestorben sein. Gute Besserung den Paukanten, der Vorwurf wird eingestellt werden.
Auf reddit kommentierte „Kaiser_2000“:
Polizei ermittelt weil sie keine Ahnung hat und die Staatsanwaltschaft (spätestens der Ermittlungsrichter) wird das Ding dann einstellen.
Und der Korporierte mit dem Nick „KannenKnusperer“ höhnte:
Böse böse Staatsanwaltschaft wieder Verfahrensaufnahme ablehnen gegen böse Burschis, Antifa großes traurig :-C
So verwundert es nicht, dass zur Frage der Strafbarkeit von Mensuren noch immer ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs von 1953 maßgeblich ist, das von demokratisch gewandeten Nationalsozialisten beschlossen wurde. Nur hat der BGH damals betont, dass sich die Erörterungen in der Urteilsbegründung explizit „nicht auf solche Mensuren beziehen, die der Austragung von Ehrenhändeln dienen“. Die Erlanger Polizei hat gegenüber T-Online lediglich angekündigt zu prüfen, „ob sich bei den Kämpfen alles ordnungsgemäß abgespielt habe. Etwa ob Schutzkleidung oder Kopfbedeckung getragen wurde.“ Nicht jedoch, ob es ein Ehrenhandel war.
Gewöhnlicherweise ist der Nachweis eines Ehrenhandels mit scharfen Waffen aufgrund der in Korporationskreisen herrschenden Omertà nur schwer zu führen, wenn nicht wie in diesem Fall die Einladungsmail zu der „PP-Suite“ öffentlich wird. Aber selbst Mensuren müssten heutzutage als gefährliche Körperverletzung geahndet werden, denn schon 1953 stellte der BGH fest, dass „die Schlägermensur von weiten Kreisen des Volkes mißbilligt“ worden seien und zwar „wegen ihres geschichtlichen Zusammenhanges mit dem Vorrechtsanspruch einzelner Stände“. Die bemerkenswerte These des Strafsenats: „Zum mindesten kann der Anschein entstehen, als sei es den Mensurkämpfern um eine Wiederbelebung der erwähnten Standessitten und vielleicht auch der damit verbundenen Standesvorrechte zu tun.“
Entscheidend bei der Frage nach der Strafbarkeit von Mensuren ist der heutige § 228 StGB: „Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.“ Das Rechtsempfinden dürfte sich in dieser Frage in der Zwischenzeit geändert haben. Ein potenziell tödlicher Fechtkampf als Mutprobe zur Bildung einer Gruppenidentität elitärer Männerbünde würde heute wohl als Verstoß gegen die „guten Sitten“ gesehen werden.
Wenn sie „unter sich“ sind, teilen nicht wenige Korporierte unsere Einschätzung, dass ein BGH-Urteil heute anders ausfiele als vor 70 Jahren. Lutz von Peter, mit vollem Namen Lutz Alexander Hans-Martin Ritter und Edler von Peter, Mitglied der Landsmannschaft Schottland Tübingen, in Belgien lebend und von 2013 bis 2015 Mitglied der AfD, schreibt:
Die Verfassungsrichter fanden 1952 die Einwilligung in die Körperverletzung nicht sittenwidrig, weshalb die Mensur straffrei ist. Würden Sie die Hand dafür ins Feuer legen, dass yas noch so gesehen wird? Wir sollte es nicht darauf anlegen, die Meinungen haben sich seit den 50ern verändert...
Der AfD-Spender und Aschaffenburger Rechtsanwalt mit Spezialisierung unter anderem auf Strafrecht und Waffenrecht Tobias Reinhart von der Burschenschaft Libertas Würzburg ist ebenfalls pessimistisch:
Wenn heutzutage wirklich einmal ein Gericht darüber entscheiden müsste, ob die Mensur gegen die guten Sitten verstößt (was bei Verneinung die Grundvoraussetzung für eine zulässige Einwilligung in eine gefährliche KV ist), sehe ich ehrlich gesagt ziemliche Unwetterwolken am Horizont aufziehen.
You don’t need a weatherman to know which way the wind blows.
Autonome Antifa Freiburg