Am 8. Juli veranstaltete die Burschenschaft Saxo-Silesia im Garten ihrer Villa im Kapellenweg 4 auf dem Lorettoberg in Freiburg eine sogenannte „Mensur“. Dabei kämpfte der Saxo-Silese und AfDler Aaron Kimmig gegen Tobias Lipski von der Münchner Naziburschenschaft Danubia. Beide Bünde sind Mitglied im Nazidachverband Deutsche Burschenschaft. Der damalige Bundeswehrsoldat Lipski wurde überregional durch ein geplantes, aber verhindertes, Naziattentat bekannt. Mit der Verbindung zu Lipskis Danubia positioniert sich die Saxo-Silesia innerhalb des sowieso schon rechten Korporiertenmilieus erneut offen rechtsradikal.
Am 28. August kamen erneut schlagende Verbindungen in Freiburg zusammen, dieses Mal bei der Freiburger Burschenschaft Teutonia. Anlass war ein konspiratives Fechtduell zwischen mehreren Mitgliedern der Saxo-Silesia Freiburg und der Alten Königsberger Burschenschaft Alemannia in Kiel, eine sogenannte „Pro Patria-Suite“.
Mensur | Tobias Lipski | Aaron Kimmig | Quo vadis? | Burschenschaft | Hausverein | Pro Patria-Suite
Im Villengarten: „Hoch bitte – Auslage – Los“
Bei einer „Mensur“ handelt es sich um ritualisiertes Fechten mit scharfen Waffen, die „Schläger“ genannt werden. Die Saxo-Silesia fordert von ihren Mitgliedern, „daß sie das akademische Fechten lernen und Mensuren schlagen“, sie ist daher eine „pflichtschlagende Verbindung“. Konkret müssen alle Mitglieder mindestens zwei „Bestimmungsmensuren“ austragen, also Fechtkämpfe zur „charakterfestigenden Wirkung“. Darüber hinaus werden auch immer noch illegale Ehrenhändel ausgetragen, oft in Form sogenannter „Pro Patria-Suiten“. Aufgrund von Schutzmaßnahmen wie rüstungsartigen Gesichtsmasken führen „Bestimmungsmensuren“ mittlerweile nicht mehr zu Toten. Wobei es auch Gegenbeispiele gibt wie die „Bestimmungsmensur zwischen der Burschenschaft Holzminda und der Burschenschaft Alemannia in Göttingen“ am 28. Januar 1933, bei der sich „ein Unfall ereignete, bei dem sich der Schläger des Holzminden unter dem Nasenblech des Alemannen verfing und ins Gehirn eindrang“.
Aber Schnittverletzungen, sogenannte „Schmisse“, sind noch immer recht häufig, und es kommen auch schwere Verletzungen wie Gesichtslähmungen und „Scherzel“ vor. Beispielsweise wurde der Danube Pierre-Louis Klotz bei einer „Bestimmungsmensur“ am 14. Mai 2022 von seinem Kontrahenten von der Münchener Burschenschaft Sudetia skalpiert. Der Sudete schlug dem Danuben mit einer scharfen Klinge ein großes Stück Kopfhaut ab, woraufhin Klotz das „Scherzel“ im Krankenhaus wieder angenäht werden musste. Bei der „Partie“ zwischen Lipski und Kimmig am 8. Juli auf dem Freiburger Lorettoberg fungierte Klotz als Lipskis „Sekundant“, unter seinem Schutzhelm trug er einen dicken, weißen Kopfverband. Sein „Bundesbruder“ Ludwig Zeddies assistierte als „Schleppfux“, dessen Aufgabe es ist, „den Fechtarm des Paukanten in den Pausen zu stützen und unkontrollierte Klingenbewegungen zu verhindern“.
Wie so ziemlich alles im Leben einer „Burschenschaft“ ist auch der Ablauf einer „Mensur“ in einem „Comment“ (französisch für „Art und Weise“) en detail geregelt. Selbst die Frage, was ein „Comment“ ist, wird im „Allgemeinen Comment der Saxo-Silesia“ definiert: „Unter Comment versteht man den Inbegriff aller, meist althergebrachter Gesetze, Gepflogenheiten und Zeremonien, nach denen Kneipen, Kommerse und allgemein das Leben einer farbentragenden Verbindung geführt wird. Commentfragen werden in den einzelnen Bündern unterschiedlich gehandhabt.“ Darin wird auch das Verhalten der Burschenschafter „im Ausland“ geregelt, wobei der „Biercomment“ der Saxo-Silesia noch aus der Zeit vor der Wiedervereinigung stammt und die DDR und Polen als Teil Deutschlands definiert werden: „Im Ausland wird kein Couleur getragen. Dies gilt selbstverständlich nicht für Mittel- und Ostdeutschland!“
Im „Biercomment der Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia“ werden die ritualisierten Besäufnisse genauestens geregelt: Wer „das Präsidium des Inoffiziums“ bestimmt und wer darüber entscheidet, ob sich „jemand vom Kneiptischen entfernen“ darf, um zum Beispiel zur Toilette zu gehen, oder eben nicht. Oder dass „auf offen daliegende Mützen und Tönnchen“ einem Burschenschafter „jederzeit soviele Biergläser gestellt werden“ dürfen, „wie auf- und nebeneinander in die Kopfbedeckung passen. Diese müssen dem Betroffenen in angemessener Zeit ausgetrunken werden.“ Was nach spießigen, aber harmlosen Saufspielen klingt, ist tatsächlich eine Form der Disziplinierung. Das wird insbesondere an den ebenfalls geregelten „Bierstrafen“ deutlich: „Das Stärken ist eine Strafe, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung dient. Stärken heißt trinken für ein Vergehen in Biersachen, soweit nicht schärfere Strafen dafür festgesetzt sind.“ Die Erziehung zu blindem Gehorsam wird dabei nicht einmal verschleiert: „Das Stärken hat sofort und ohne Widerrede zu geschehen. Eine Begründung für das Stärkenlassen kann er nach dem Trinken auf das Wort ‚causa?‘ in geziemender Weise verlangt werden.“
Getrennt marschieren – vereint schlagen
Die „Mensur“ im Garten der Saxo-Silesia am 8. Juli 2022 wurde jedoch nicht nach einem Freiburger „Comment“, sondern nach dem „Schlägerpaukcomment des Waffenringes der Münchener Burschenschaften“ gefochten. Der Grund dürfte sein, dass die Danubia die „Partie annonciert“ hatte, aber partout keine schlagende Verbindung in München für das Duell finden konnte. Eine Zusage eines Burschenschafters der „Münchner Burschenschaft Alemannia“ wurde sogar von deren Konvent wieder annulliert, was eine Folge der Beobachtung der studentischen Mitglieder der Burschenschaft der „Danubia“, der sogenannten „Aktivitas“, durch den bayerischen Verfassungsschutz sein dürfte.
In ihrem „Programm für das Sommersemester 2022“ kündigte die Saxo-Silesia für den 9. Juli den „zweiten oBT des FWR“ an, also den „zweiten ordentlichen Bestimmtag des Freiburger Waffenrings“. Beim ersten oBT am 21. Mai „schlug“ der Fux der Saxo-Silesia Patrick Stähle seine erste „Fuxenpartie“ mit einem Mitglied der Landsmannschaft Cimbria Freiburg auf dem Haus der Freiburger Burschenschaft Teutonia. Im Anschluss focht Aaron Kimmig seine erste „Burschenpartie“ mit einem „Aktiven“ der Teutonia.
Gewöhnlicherweise werden „Bestimmungsmensuren“ innerhalb eines örtlichen „Waffenrings“ ausgefochten, was auch gelegentlich aufblitzende Distanzierungsbemühungen anderer schlagender Verbindungen zu langjährigen expliziten Nazibünden wie der Saxo-Silesia konterkariert. Im „Freiburger Waffenring“ (FWR) organisieren sich die Freiburger Burschenschaften Saxo-Silesia, Teutonia, Franconia und Alemannia, die Konstanzer Burschenschaft Bayuvaria, die Landsmannschaften Cimbria und Neoborussia Halle zu Freiburg, die Turnerschaft Markomanno-Albertia sowie zumindest zeitweise das Konstanzer Corps Saxonia.
Die beiden Freiburger Corps Hubertia und Palatia-Guestphalia sind im Sommer 2021 aus dem „Freiburger Waffenring“ ausgetreten und fechten stattdessen mit den anderen Freiburger Corps Rhenania, Suevia und Hasso-Borussia im „Freiburger Consenioren-Convent“ (CSC). Den Austritten ging ein heftiger Streit zwischen Saxo-Silesia und Hubertia voraus, da die Hubertia ihr Hausverbot für die Naziburschen auch während eines „Pauktags“ des FWR aufrecht erhielt und sich die Saxo-Silesia dadurch in ihrer Ehre gekränkt fühlte.
Am öffentlich angekündigten „zweiten oBT des FWR“ am 9. Juli hatte die Danubia einen anderen Termin, so dass die „Mensur“ zwischen Kimmig und Lipski auf den Abend des 8. Juli vorgezogen wurde.
In dem „Münchener Schlägerpaukcomment“ werden die Beteiligten an der Mensur – selbstverständlich nur Männer – festgelegt: „Zur Mensur gehören zwei Paukanten, zwei Sekundanten, zwei Schleppfüxe, ein Unparteiischer, zwei Schriftführer, mindestens ein approbierter Arzt und je drei Burschen jeder beteiligten Verbindung.“ Darüber hinaus gilt eine „Mensur“ im Verbindungsmilieu als soziales Event, zu dem andere Korporierte eingeladen werden. Uns stellte der „Schlägerpaukcomment“ vor ungeahnte Schwierigkeiten, denn „Partien dürfen nur mit Einverständnis beider Paukanten und dann nur ohne Blitzlicht fotographiert werden“ und „nicht farbentragende Gäste dürfen auf Mensurtagen nicht fotographieren“.
Tobias Lipski
Tobias Lipski, der am 8. Juli in Freiburg eine „Mensur“ focht, wurde im Sommer 2013 Bundeswehrsoldat und verpflichtete sich im am 26. Mai 2014 als Offiziersanwärter für 14 Jahre bei der Bundeswehr. Am 24. Mai 2017 wurde er wegen rechtsradikaler Gesinnung und Aktivitäten aus der Bundeswehr geworfen. Ihm wurde vorgeworfen, im Dezember 2016 „an einem Treffen ehemaliger SS-Offiziere in Estland“ teilgenommen, rechtsradikale Hetze verbreitet, mehrere Veranstaltungen der „Identitären Bewegung Deutschland“ besucht und selbst für die IB referiert zu haben. So gab Lipski gegenüber dem Geheimdienst MAD zu, am 24. Februar 2017 einen „Vortrag zum Thema Rechtsbelehrung und Umgang mit Staatsschutz- und Verfassungsschutzbehörden vor Funktionären und Mitgliedern der IBD in Bad Tölz“ und denselben Vortrag mehrfach zuvor auf dem Haus der Burschenschaft Danubia München vor den „dort anwesenden IBD-Funktionären“ gehalten zu haben.
Die Springerzeitung „Welt“ schrieb zu Lipski:
Die Behörden trieb noch eine Sorge um. Dass er nämlich womöglich etwas Größeres plante – und zu einem Netzwerk von Rechtsextremisten im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums gehören könnte. Man vermutete, L. habe verbotenerweise schwere Waffen gehortet, eine Maschinenpistole oder ein Sturmgewehr. Man befürchtete, er könne einen Angriff beim Besuch der Ministerin verüben.
Konkret befürchteten die „Sicherheitsbehörden“, Lipski könne während ihres Besuches auf Schloss Nymphenburg am 24. Juni 2017 einen Angriff auf die damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verüben, gemeinsam mit einem weiteren an der Bundeswehr-Uni in München studierenden Offiziersanwärter. Am 9. Juni leitete die Staatsanwaltschaft München ein Verfahren wegen des „Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“ ein. Lipskis Wohnung wurde durchsucht, aber es wurde nichts gefunden – was zu Spekulationen führte, er könne vorgewarnt worden sein. In zeitlicher und räumlicher Nähe zum Besuch der Verteidigungsministerin wurde eine Handgranate in einem Kanal in München gefunden, wenige Monate später wurde eine zweite entdeckt. Das Ermittlungsverfahren gegen Lipski wurde Anfang 2018 eingestellt:
Für Verwunderung sorgte unmittelbar nach der Veröffentlichung der Recherche am Sonntag [den 14.07.2022] eine Mitteilung des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). So meldete die Behörde nur einen Tag später, dass Passanten am 19. Juni 2017 – also mehr als zwei Jahre zuvor – ein olivgrünes, verschraubtes Transportbehältnis in einem Kanal in München gefunden hatten. Der Inhalt: eine voll funktionsfähige jugoslawische Handgranate. Im Oktober 2018 wurde eine weitere Handgranate entdeckt.
Schwer empört zeigte sich Lipski von den Rückzahlungsforderungen der Bundeswehr für seine Studienkosten:
Zu Beginn möchte ich festhalten, dass für mich persönlich, politisch motivierte Entlassungen aus einem pauschal vorangestelltem Haltungsproblem aller Soldaten, in Verbindung mit kruden Durchsuchungen von Kasernen und daraus resultierenden, vom blinden Aktionismus gezeichneten Entlassungen, in keiner Weise eine Rückforderung irgendwelcher entstandenen Kosten, auch nur in der kleinsten Form rechtfertigen.
Nach seiner Entlassung begann Lipski ein Jurastudium in Passau, war in einem Studentenwohnheim im nahe gelegenen österreichischen Ingling in der Gemeinde Schardenberg gemeldet und schloss sich der zu diesem Zeitpunkt in Passau und Deggendorf ansässigen Burschenschaft Markomannia Wien an:
Zuvor hatte es innerhalb der Burschenschaft Diskussionen über seine politische Gesinnung, seine Aktivitäten bei den „Identitären“, seine Überwachung durch den MAD und seinen Rauswurf als Offiziersanwärter bei der Bundeswehr gegeben. Offensichtlich entschieden sich die Burschenschafter in Kenntnis all dieser Begebenheiten bewusst für die Aufnahme des entlassenen Soldaten in ihre völkisch-nationalistischen Reihen.
Lipski hat dem MAD alles erzählt. Aber der MAD hat nicht immer alles verstanden:
LIPSKI, Tobias sei der interne Sprachgebrauch („Ethnopluralismaus“) der IBD geläufig.
LIPSKI, Tobias werte die Treffen der IBD als „Naziveranstaltungen mit anderem Gesicht“.
LIPSKI, Tobias habe im Kameradenkreis der UniBw offen über seine Kontakte zur IBD gesprochen.
Im März 2019 wurde Lipski zum stellvertretenden Vorsitzenden der „Jungen Alternative Ostbayern“ gewählt. Während seiner Aktivenzeit bei der Markomannia besuchte Lipski diverse Burschenveranstaltungen wie etwa den „Burschentag“ der Deutschen Burschenschaft in Eisenach.
Am 10. November 2018 nahm Lipski gemeinsam mit anderen Aktiven der Markomannia am WKR-Kommers in Wien teil. Am Folgetag suchten die Naziburschen das Grab des SS-Obersturmbannführers Otto Skorzeny auf, der Mitglied der damals in Wien ansässigen Burschenschaft Markomannia war. Im Jahr 2018 trieb eine rechtsradikale Gruppe namens „Kommando Otto Skorzeny“ in Passau und überregional ihr Unwesen. Auch im Folgejahr war Lipski gemeinsam mit anderen am 30. November 2019 beim Wiener WKR-Kommers anwesend. Kurz zuvor besuchte er die von der Freiburger Saxo-Silesia organisierte und durch Antifa-Interventionen sabotierte Verbandstagung der „Deutschen Burschenschaft“ am 8. und 9. November 2019.
Lipskis Markomannen-Karriere endete allerdings wie bereits seine frühere Fuxenzeit bei der Cimbria München und seine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr vorzeitig. Anfang Oktober 2020 trat er gemeinsam mit weiteren „Aktiven“ aus der Markomannia aus, womit die Naziburschen ihrem Ausschluss zuvor gekommen sein dürften – und sich die Markomannia in Folge komplett zerlegte. Im Juni 2022 machte Lipski erneut Schlagzeilen: Er wollte in die AfD eintreten. Der AfD-Kreisverband Würzburg wollte ihn zwar gerne aufnehmen, allerdings verweigerte der AfD-Bundesvorstand die Aufnahme.
Gerüchten zufolge wollte Lipski direkt im Anschluss an seinen Austritt bei der Markomannia der Burschenschaft Danubia München beitreten. Die Aufnahme zog sich wegen Bedenken einiger „Alter Herren“ in die Länge. Die Aufnahme Lipkis dürfte von den nicht weniger rechtsradikalen Danubia-Aktiven Ludwig Zeddies, Carsten Ostlender und Pierre-Louis Klotz unterstützt und vorangetrieben worden sein. Wie die Fotos der Mensur im Garten der Saxo-Silesia Freiburg belegen, trägt er inzwischen offen die Farben der Münchner Naziburschenschaft.
Aaron Kimmig
Aaron Joseph Friedrich Kimmig wurde am 18. Juli 1993 geboren, wuchs in der Ortenau auf und stellt sich gerne als musikalischer Intellektueller dar. Bis zum Wintersemester 2022 war Aaron Kimmig der „Sprecher“ der „Aktivitas“ der Saxo-Silesia – und Fechtgegener von Tobias Lipski am 8. Juli in Freiburg. Vor seinem „Sprecher“-Amt im Wintersemester 2021/22 war Kimmig bereits seit dem Sommersemester 2020 „Schriftwart“ und schon im Juni 2020 wurde er als „Fux“ zum „Leiter der Burschenschaftlichen Arbeit“ gewählt.
Aaron Kimmig ist neben dem Haus der Saxo-Silesia auf dem Lorettoberg auch in der Freiburger Admiral-Spee-Straße 9 gemeldet. Der Informatikstudent Kimmig trat bereits 2014 in die AfD ein, seine AfD-Mitgliedsnummer ist die 10588089. Von 2015 bis 2018 wurde er als Mitglied des brandenburgischen AfD-Landesverbands geführt. Im April 2016 wurde er in den Landesvorstand der brandenburgischen „Jungen Alternative“ gewählt und im August 2021 in den Landesvorstand der JA Baden-Württemberg. Im September 2016 trat Kimmig den Christen in der AfD bei.
Aaron Kimmig arbeitete bis mindestens 2021 für Andreas Wild, der im September 2016 über die Landesliste der AfD in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt worden war. Doch bereits im Juli 2017 wurde Wild aus der Fraktion und 2021 schließlich aus der Partei ausgeschlossen. Mit seinen ausländerfeindlichen und rassistischen Reden insbesondere gegen MuslimInnen war Wild selbst der AfD zu rechts. Aaron Kimmig hingegen unterstützte Wilds Nazipolitik nach Kräften und mit großem persönlichen Einsatz.
Im Sommer 2021 begleitete Kimmig seinen Arbeitgeber nach Bosnien. Ziel der Reise war der Dreh von rassistischen Propagandavideos für die im September 2021 anstehende Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, denn trotz seines noch nicht rechtskräftigen Parteiausschlusses wurde Wild (erfolglos) als Direktkandidat für den Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf 4 aufgestellt.
Kimmig ließ für die Wahlkampfvideos seine im „Roten Baron“-Stil gehaltene schwarz-weiß-rote Drohne mit eisernem Kreuz über einem antirassistischen Camp kreisen. Nachdem linke AktivistInnen seine Drohne vom Himmel geholt hatten, entdeckten sie die in Deutschland verpflichtende feuerfeste Metallplakette mit den eingravierten Daten des Besitzers: „Aaron Kimmig, Kapellenweg 4, 79100 Freiburg“ – die Adresse der Burschenschaft Saxo-Silesia. In naiver Selbstüberschätzung hatte Kimmig sich nicht einmal die Mühe gemacht, die zuvor gedrehten AfD-Videos vor dem Feindflug von der SD-Karte der Drohne zu löschen.
Mit seiner Fluthilfe-Tarnorganisation „EichenHerz“ schaffte Kimmig es sogar in den Jahresbericht 2021 des baden-württembergischen Inlandsgeheimdienstes. Ende Juli 2022 besuchte er gemeinsam mit seinem „EichenHerz“- und JA-Kameraden Luis Hill aus Bayern das „Sommerfest“ des rechtsradikalen „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda. Aktuell wird Aaron Kimmig auf der Website des AfD-Kreisverbands Freiburg als „Kreissprecher“ genannt. Bei der baden-württembergischen „Jungen Alternative“ wird er als „Ansprechpartner“ für den KV Freiburg/Breisgau-Hochschwarzwald der AfD-Jugendorganisation geführt.
Kimmig schreibt regelmäßig für das rechtsradikale Onlineprojekt „Freiburger Standard“, in dessen Impressum sein ehemaliger „Bundesbruder“ Dubravko Mandic als Verantwortlicher genannt wird. Auch an der zeitweise sehr aktiven internen Telegram-Chatgruppe von Dubravko Mandic war Kimmig beteiligt und schrieb dort über sich selbst, dass er sich „im weitesten Sinne als Arier“ identifiziere. In der vermeintlich geschützten Chatgruppe beteiligte sich Kimmig an einer Diskussion über den Begriff „Rasse“:
Wenn man auf dem Rassebegriff besteht, dann muß man ihn aber neu interpretieren. Der Rassebegriff aus dem Ende der 40er, wie er ins GG eingeflossen ist, entspricht meiner Meinung nach nicht dem, wie man heute die Rasse in der BRD definieren müßte. Grund ist die perverse Bevölkerungspolitik, die seit 2015 verstärkt (beinahe) unumkehrbare Tatsachen schafft. Ich glaube immer noch, daß man die Linken und Pervertierten am besten bekämpfen kann, indem man zumindest temporär von einer öffentlichen Verwendung dieses Begriffes absieht und stattdessen den versuchten Bevölkerungsaustausch bzw Transformation mit klarer definierten Ausdrücken kritisiert. Kernpunkt der dialektischen Rhetorik ist, so habe ich es von Peter Feist gelernt, dem Gegner sein Argument in abgewandelter Form zurückzuschleudern. In diesem Fall heißt es, die Linken mit ihrem dekonstruierten Begriff vordergründig zu schlagen, während man hintergründig durch Substitute den Begriff im eigenen Sinne neu zusammensetzt. Wir müssen über Bande spielen. Mit dem Kopf kommt man nur durch diese Betonwand, wenn man ihn zum strategischen Denken einsetzt.
Kimmig warb dafür, faschistische Propaganda zielgerichtet einzusetzen:
Wir brauchen Leute, die unsere Botschaft fein dosiert aber hochwirksam wie eine hochkonzentrierte Medizin in der Mitte der Gesellschaft platzieren. Meine eigenen Unternehmungen scheinen noch klein und kaum sichtbar, aber ich habe schon einige meiner Altersgenossen erbarmungslos getriggert.
Quo vadis?
Innerhalb der Saxo-Silesia gibt es seit Jahren Streit um die Außenwirkung des Bundes und deswegen um die politische Ausrichtung. Einige „Alte Herren“ fürchteten mit den Schlagzeilen rund um die Deutsche Burschenschaft um ihren Ruf. Die Verbindung war unter anderem wegen der auf ihrem Haus erfolgten Gründung der „Jungen Alternative“ öffentlich als Hauptquartier des damaligen AfD-Großmauls Dubravko Mandic wahrgenommen worden. Als sie es wegen rechtsradikaler Umtriebe auf dem Haus auf dem Lorettoberg sogar mehrfach in die Lokalpresse schafften, versuchten sie die Reißleine zu ziehen.
Allerdings scheiterten die Rauswurfversuche aus der Verbindung an seinem juristischen Widerstand. Erst im Mai 2022 wurde innerhalb der Deutschen Burschenschaft offiziell bekannt gegeben, dass der „Alte Herr“ Dubravko Mandic aus der Saxo-Silesia ausgeschlossen wurde. Diesem Ausschluss ging ein jahrelanger Streit voraus, der teilweise innerhalb der Saxo-Silesia, teilweise auch vor ordentlichen Gerichten in mehreren Instanzen ausgetragen wurde.
Um Mandic rechtssicher rauswerfen zu können, beschloss die Saxo-Silesia auf ihrer „Bundesversammlung“ Januar 2019 eine Satzungsänderung. Die Satzung enthält mit der sogenannten „Ehrenordnung“ ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, das von den Burschen aber äußerst ernst genommen wird, und das um Punkt 3 ergänzt wurde:
§ 82
(1) Das Ehrengericht des Altherrenverbandes hat die Aufgabe, in Angelegenheiten zu entscheiden, die zur Wahrung der Ehre, des Ansehens der Burschenschaft oder ihrer Mitglieder erforderlich sind.
(2) Maßgebend dafür ist über die geltenden Gesetze hinaus das allgemein gültige Sittengesetz unter Berücksichtigung der an einen Akademiker zu stellenden strengen Anforderungen.
(3) Das Ehrengericht entscheidet über die Entlassung. Die Entlassung ist keine Ehrenstrafe im Sinne der Ehrenordnung.
Anfang Juni 2020 beschloss der Vorstand des nicht eingetragenen Vereins, einen neuen Aussschlussversuch zu wagen, dieses Mal mittels einer Entlassung durch das „Ehrengericht“. Mandic wurde dabei vorgeworfen, er habe sich ehrenrührig verhalten, habe das Ansehen der Saxo-Silesia gefährdet und habe die Ehre seiner „Bundesbrüder“ verletzt.
Die dieses interne „Gerichtsverfahren“ begleitenden Diskussionen geben Aufschluss in die verquere Denkweise der Burschenschafter.
Der „Alte Herr“ Horst Schikorski teilte seinen „Bundesbrüdern“ mit:
Gleichgültig ob der Ausschluss von Mandic rechtmäßig war oder ist, müssen wir damit rechnen, dass nicht wenige Bundesbrüder den Austritt erklären. Sie wollen nicht mehr mit Mandic in einem Lebensbund verbunden sein. Mandic gibt sich auch alle Mühe, diese Bundesbrüder in ihrer Haltung zu bestärken. Der Besuch einer „patriotischen Wandergruppe“ auf unserem Haus ist nicht gerade geeignet die alte Problematik in einem milderen Licht zu sehen.
Und alle wussten, wovon der Horst da redete. Wegen der jahrelangen antifaschistischen Pressekampagne gegen die Deutsche Burschenschaft und die Saxo-Silesia hatten einige „Alten Herren“ ihren Austritt erklärt. Diese Austritte stellen ein erhebliches finanzielles Probleme für die Saxo-Silesia dar, das mit jedem weiteren Austritt größer wird.
Als Lösung schlug Schikorski vor, die Saxo-Silesia aufzulösen und ohne Mandic neu zu gründen.
Aaron Kimmig meldete sich erbost zu Wort:
Die Generation, der ich angehöre, ist nicht mehr so geburtenstark und in Wahlen deshalb auch nicht mehr so abstimmungsstark wie die Generation eines großen Teiles der Altherrenschaft. Gerade deshalb bin ich auf die moralische und ideelle Unterstützung meiner älteren Bundesbrüder angewiesen. Wir müssen uns in einem immer schwieriger werdenden politischen, ethnischen, teils auch persönlichen Umfeld behaupten.
Damit ich meinen Lebensunterhalt finanzieren kann, arbeite ich neben dem Studium mindestens 20 Stunden die Woche für einen Berliner Landtagsabgeordneten, programmiere als Freiberufler Apps und Webseiten und komponiere regelmäßig Klavierstücke. Letzteres unentgeltlich. Ich kann es nicht ertragen, daß einige wenige Alte Herren die Leistungen, die wir als Aktivitas und als junge Elite (das ist mein Anspruch), erbringen und auch in Zukunft erbringen wollen, mit Füßen treten, indem sie permanent schlecht über uns reden und das Damoklesschwert des Entzuges des Hauses, um dessen Garten sich die Aktivitas jüngst mit Herzblut und großem Einsatz gekümmert hat, erhebt.
Stephan Stallmann reagierte auf Kimmig mit einem Statement, in dem er das Gesetz der Saxo-Silesia über den Rechtsstaat stellte:
seid bitte unbesorgt. Ich hatte gestern noch mit AH Schikorski telefoniert. Seine Idee ist kein Thema mehr.
Ich freue mich sehr, dass wir eine so starke Aktivitas auf dem Haus haben, die zusammenhält. Wir haben uns ja auch schon persönlich kennengelernt.
Der Anspruch an unserer Bundesbrüder und den Umgang untereinander, sowie das Auftreten nach außen, regelt unsere Satzung. Sie ist für jeden Saxo-Silesen höchstes Gebot und Grundlage seines Handelns. Sie steht moralisch betrachtet auch über jeder staatlichen Gewalt. Sie ist die Basis unserer Wertegemeinschaft und unseres Lebensbundprinzips und wird niemals durch staatliche Urteile konterkariert werden. Was wir nach ihr entscheiden, ist unser Gesetz.
Stephan Stallmann aus dem Vorstand des „Verband Alter Herren der Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia“ – nicht identisch mit dem ins Vereinsregister eingetragenen Hausverein – schrieb dem Hausvereins-Vorstand am 4. Juni 2020 eine Mail mit der Aufforderung, Mandic wegen des Ehrengerichtsverfahrens Hausverbot zu erteilen:
Lieber Bbr. Kutscher Z!
Hiermit teile ich Dir mit, dass der Vorstand einstimmig ein Ehrengerichtsverfahren nach § 89 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 90 Abs. 1 unserer Satzung gegen Herrn Mandic eingeleitet hat.
Auch sieht der Vorstand das Urteil der Gerichte als juristsiche Entscheidung an, nicht als moralische. Für den Vorstand ist Herr Mandic kein Bundesbruder mehr im Sinne unserer Satzung.
Wir legen Dir daher Nahe, Herrn Mandic ein Hausverbot zu erteilen und Verstöße konsequent zur Anzeige zu bringen.
Für Fragen stehe ich Dir gerne zur Verfügung.
Mit bundesbrüderlichen Grüßen
Stallmann Z!
Wenige Tage später schrieb Martin Stojanovski über den Verteiler der „Alten Herren“:
Es wurde beschlossen ein Mitglied aus dem Bund zu entfernen. Diese Entscheidung wurde von vielen Mitgliedern (darunter auch Juristen) im Bund bekräftigt und bestätigt. Ein paar Monate später wurde das von einem öffentlichen Gericht gekippt und als unzulässig beurteilt; Und diese Entscheidung wird von uns nicht akzeptiert? Warum? Da kommen bei mir als Nicht-Jurist Zweifel daran auf, ob unsere Entscheidungen richtig sind.
Da eine größere Gruppe „Alter Herren“ damit drohte, aus der Saxo-Silesia auszutreten, sollte Mandic bis Ende 2020 noch Mitglied des Bundes sein, eskalierte es kurz vor Ablauf der Frist erwartungsgemäß. Am 24. Dezember 2020 schrieb Mandic über den Verteiler:
gestern erhielt ich einen Beschluss des Ehrenrates, wonach ich aus dem Bund entlassen worden sein soll.
(...)
Der Einspruch wird durch mich oder meinen Vertreter rechtzeitig eingelegt werden.
Geprüft wird auch, ob gleichzeitig ein Eilantrag an ein ordentliches Gericht gestellt werden sollte.
Allen ein frohes Fest!
Umgehend folgte Empörung von der Anti-Mandic-Fraktion. Udo Götschel schrieb in feinstem Juraburschendeutsch, warum er den Rauswurf für richtig hielt:
Das zerrüttete Verhältnis und die nicht mehr vorhandene Vertrauensbasis zwischen Mandic und einem Großteil des Bundes, die in den bekannten Austrittsankündigungen bei unangefochtenem oder letztlich vergeblich angefochtenem Verbleib von Mandic im Bund sowie der einhergehenden Existenzgefährdung desselben gipfelten, stellt schließlich m. E. einen hinreichend schwerwiegenden objektiven Grund für eine Entlassung dar.
Horst Schikorski trat nach und schrieb an Mandic gerichtet:
Wenn die rechtliche Beurteilung von Fittschen richtig ist, bist du mit sofortiger Wirkung kein Mitglied unseres Bundes mehr. Halte dich dann bitte aus Bundesfragen heraus. Wir reden dir auch nicht in deine Partei hinein.
Aaron Kimmig sekundierte seinem Mentor Mandic:
Es ist sehr germanisch, wie bei uns um Weihnachten herum gemessert wird.
(...)
Nach außen muß das doch wirken als wären wir die ewigen Vereinsmeier aus dem Hintertal. Die Mitgliedschaft ist auch nicht eine bloße Option auf einen "Aktienanteil" am Haus. Denken wir doch endlich wieder groß!
Lachende Dritte sind Antifa & Co, die uns genau so sehen wollen, wie wir gerade sind: uneinig und gelähmt im Streit.
(...)
Wir sind keine Vereinsmeier, sondern eine Burschenschaft. Deshalb bin ich vergangenes Jahr beigetreten. Ich bin diese unwürdigen Konflikte leid. In Leben und Beruf will ich Erfolg. Dafür arbeite ich unermüdlich und hart. Die Saxo-Silesia ist eine Festung für mich. Bei jedem Bundesbruder, der uns verläßt, empfinde ich Schmerzen. Streitsucht beschämt mich, sie ist eine weibische Schwäche (die man ablegen kann).
Die „Aktivitas“ der Saxo-Silesia positionierte sich im Januar 2021 mit einer Stellungnahme gegen die Entscheidung des „Ehrenrats“ und für Mandic. Als zweite bundinterne Instanz nach dem „Ehrenrat“ sollte eine Entscheidung durch den „Ehrensenat“ folgen. Die Verhandlungen des „Ehrensenats“ begannen allerdings erst ein Jahr später im Januar 2022. Als „Ankläger“ für den Altherrenverband traten Stephan Stallman und Djahan Salar auf. Mandic wurde von Martin Stojanovski verteidigt.
Während des Streits um den Rauswurf von Mandic aus der Saxo-Silesia hielt Kimmig also treu zu Mandic. Auch beim Gerichtsverfahren wegen Mandics Angriff auf der Kaiserstuhlbrücke befand sich Kimmig zeitweise als Unterstützer im Gerichtssaal.
Vor der Saxo-Silesia war Mandic Mitglied der Freiburger Burschenschaft Alemannia. Und auch von dieser Burschenschaft wäre er beinahe rausgeworfen worden, wie die Alemannia in ihrem internen „Nachrichtenblatt“ 1/2008 schrieb: „M[andic] war ja nur ganz knapp einem Ausschluss entgangen (nachdem er ganz wesentlich dazu beigetragen hatte, dass unser Bund vor einigen Jahren einen Tiefstpunkt in seiner Entwicklung erreicht hatte).“ Zehn Jahre später schrieb die Alemannia in ihrem „Nachrichtenblatt“ 2/2018 über „die Gefahr einer nachhaltigen Vereinnahmung der Alemannia durch radikale Strömungen. In Zeiten, wo etliche Studentenverbindungen und vor allem Burschenschaften zu rechten Kaderschmieden verkommen sind, geht die Hauptgefahr dabei sicherlich vom rechten Rand aus. [...] Ein abschreckendes Beispiel in Freiburg ist die einstmals liberale DB-Burschenschaft Saxo-Silesia, die sich inzwischen zu einer Kaderschmiede der rechtsextremen Identitären Bewegung entwickelt hat. Die Erinnerung an die Mandic-Zeit sollte unterstreichen, dass auch wir gegen eine solche Übernahme nicht vollständig gewappnet sind.“
Trotz seines Ausschlusses aus der Saxo-Silesia ist Dubravko Mandic weiterhin in Naziburschenkreisen aktiv, auch wenn er bei seinem Berufungsprozess vor dem Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung das Gegenteil behauptete. Er bat als reuiger Geläuterter um Gnade, da er sich doch aus der Politik zurückgezogen habe. Als Belege führte Mandic seinen AfD-Austritt an (aber er verschwieg das drohende Parteiausschlussverfahrens). Außerdem seinen Freiburger Gemeinderatsrücktritt (aber er ließ die Zerwürfnisse mit dem Freiburger Teutonen Detlef Huber unerwähnt). Allerdings scheiterte seine Strategie spätestens am 18. Mai, dem letzten Verhandlungstag. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Dubravko Mandic ausgerechnet bei Lipskis Danubia am 2. Juli in München zu referieren plante. Als Reaktion auf seine Lügen wurde Mandic zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Wegen seines Vortrags in München wurde das Haus der Danubia von Antifas angegriffen.
Die Burschenschaft Saxo-Silesia
Seit dem Sommersemester 2022 ist Niklas Jütten der „Aktivensprecher“ der Saxo-Silesia. Wie fast die gesamte „Aktivitas“ positionierte sich auch Jütten im Streit innerhalb der Saxo-Silesia auf Mandic’ Seite und posierte für Fotos gemeinsam mit diesem.
Niklas Jütten wurde am 7. Dezember 1996 geboren, seine Eltern leben in Efringen-Kirchen. Jütten zog für sein Studium zunächst nach Aachen und schloss sich dort der Burschenschaft Teutonia Aachen und der CDU-Hochschulgruppe RCDS an.
Die „Aktivitas“ der Teutonia Aachen ist zwar nicht weniger rechtsradikal als die der Saxo-Silesia, aber der Bund trat 2012 im Zuge der Richtungsstreits aus der Deutschen Burschenschaft aus und gründete 2016 den Spaltprodukt-Dachverband Allgemeine Deutsche Burschenschaft (ADB) mit. Im Sommersemester 2017 wurde Jütten für den RCDS in das Studierendenparlament der RWTH Aachen gewählt. In einem Bericht der Stuttgarter Burschenschaft Hilaritas über den „Aktivenkonvent“ des ADB-Burschentags 2017 wird Jüttens hochschulpolitische Ausrichtung deutlich:
Nach längerer Diskussion insbesondere über den Umgang finanzieller Mittel durch die Asten wurde beschlossen, dass ein Arbeitskreis ein Positionspapier bis zum nächsten Aktivenkonvent 2018 verfassen soll, dessen Kernaussage ist, dass die ADB ein Anmaßen eines allgemeinen politischen Mandats durch Asten sowie eine Finanzierung extremistischer Gruppen durch Mittel der Studentenschaft ablehne. Zur Mitarbeit erklärten sich bereit die Verbandsbrüder Kronenmüller (Karlsruher Burschenschaft Teutonia) als Federführender, Jütten (Aachener B! Teutonia), Lenz (Braunschweiger B! Germania), Manthey (Hannoversche B!Arminia) und Schäfer (Freiburger B! Teutonia).
Die Allgemeine Deutsche Burschenschaft gibt wie auch die Deutsche Burschenschaft eine Mitgliederzeitschrift heraus. Das Blatt der Deutschen Burschenschaft heißt „Burschenschaftliche Blätter“ und wird von dem auch DB-intern hart umstrittenen „Schriftleiter“ Andreas Karsten herausgegeben. Die „Burschenschaftlichen Blätter“ der DB werden in der Druckerei Ledschbor in Sankt Augustin gedruckt. Das Blatt der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft heißt „Der Burschenschafter“.
Der erste Redakteur des ADB-Verbandsblatts war der AfDler Frank Grobe, der wie Jütten Mitglied der Teutonia Aachen ist. Als Frank Grobe Anfang 2019 als Landtagsabgeordneter in den hessischen Landtag einzog, übernahm Stefan Dobner von der Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania die Vertretung, bis auf dem ADB-„Burschentag“ 2019 Jan Schiffer von der Kölner Burschenschaft Alemannia zum Redakteur gewählt wurde. Schiffer macht die Verbandszeitung allerdings nicht alleine. Zum Redaktionsteam gehören weiterhin Stefan Dobner, Hans-Ulrich Voß von der Teutonia Aachen, Tim Materna, der bei der „Identitären Bewegung“ und der Stuttgarter Burschenschaft Hilaritas aktiv ist und Niklas Jütten von der Teutonia Aachen und der Saxo-Silesia Freiburg.
Mit seinem „Bundesbruder“ Voß verbindet Niklas Jütten nicht nur die Arbeit für den „Burschenschafter“, sondern auch eine zumindest vorübergehende Tätigkeit für den hessischen AfD-Landtagsabgeordneten Heiko Scholz. Niklas Jütten unterstützte Hans-Ulrich Voß als Schauspieler im Rahmen einer Propagandakampagne des Geheimdienstes, bei der Voß Ende 2018 einen Preis des NRW-Innenministeriums gewann.
Bei der Mensur zwischen Lipski und Kimmig am 8. Juli 2022 hat Jütten auf Seiten der Saxo-Silesia assistiert. Bei der „Pro Patria-Suite“ am 28. August hat Jütten selbst gefochten.
Ein weiterer „Aktiver“ der Saxo-Silesia ist Luca Salar aus Lahr, der an der Freiburger Universität Biologie studiert und mit vollem Namen Djahan Luca Salar Bahadorlou heißt. Er ist einer der Söhne des „Alten Herrn“ Djahan Salar. Bereits seit dem Sommersemester 2020 ist Luca Salar „Fechtwart“ der Verbindung. Dementsprechend war er bei der „Mensur“ am 8. Juli als „Spektant“ und bei der „PP“ am 28. August als „Paukant“ beteiligt. Er trägt neben dem Band der Burschenschaft Saxo-Silesia auch das Band der Burschenschaft Adelphia Würzburg. Die Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia bildet gemeinsam mit der Burschenschaft Adelphia zu Würzburg, der Gießener Burschenschaft Frankonia und der Burschenschaft der Krusenrotter zu Kiel einen Zusammenschluss namens „Schwarzer Verband“, in Burschenkreisen „Kartell“ genannt. Auch weitere Mitglieder der Saxo-Silesia sind gleichzeitig Mitglied eines der „Kartellbünde“.
Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Leon Salar, der ebenfalls zumindest zeitweise bei der Saxo-Silesia involviert war, jobbt Luca für „Neue Arbeit Lahr“, das Unternehmen ihrer Eltern. Die „Neue Arbeit Lahr GmbH“ gibt sich nach außen karitativ, doch tatsächlich handelt es sich um ein staatlich alimentiertes Burschenprojekt, bei dem die Familie gleich mitversorgt wird. Die Geschäftsführung besteht aus dem „Alten Herren“ der Saxo-Silesia Djahan Salar und Katharina Haverkamp, der Ehefrau des „Alten Herren“ Jörg Haverkamp, der ebenfalls im Unternehmen mitarbeitet, genau wie Djahans Ehefrau Andrea Salar. Neben den beiden Salar-Söhnen wurden auch der „Alte Herr“ Jan Mühlberger und Ex-Saxo-Silese Dirk Jasny auf Versorgungsposten gehievt.
Zu den Aktiven der Saxo-Silesia gehört auch der am 3. Mai 1995 geborene Jurastudent Leonard Gronbach. Leo Gronbach lebte zeitweise auf dem Haus der Saxo-Silesia und zeitweise auf dem Haus der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg. Er trat im Dezember 2017 in die AfD ein und war bei der „Pro Patria-Suite“ am 28. August gegen die rechtsradikale Kieler Alemannia einer der drei „Paukanten“ der Saxo-Silesia.
Zum Nachwuchs der Saxo-Silesia gehören die „Füxe“ Fabian Kohlmeyer und Patrick Stähle. Beide wohnten vor ihrem Eintritt in die Saxo-Silesia bei der Freiburger Katholischen Deutschen Studentenverbindung Wildenstein. Kohlmeyer studiert an der Katholischen Hochschule Freiburg, Stähle ist Theologie-Student. Am 9. Juli 2022 focht Kohlmeyer seine erste „Fuxenpartie“ gegen ein Mitglied der Freiburger Burschenschaft Franconia.
Als die Saxo-Silesia im Jahr 2019 den Vorsitz der Deutschen Burschenschaft übernahm, wurde der Saxo-Silese Falk van der Helm DB-Sprecher. Er kam für sein Studium der Geowissenschaften nach Freiburg. Stellvertretender DB-Sprecher wurde Marco Erat und zweiter stellvertretender DB-Sprecher Rudolf Gut.
Bis zum Sommersemester 2021 war Marco Erat, geboren am 22. März 1994, der Aktivensprecher der Saxo-Silesia. Er bekleidete zuvor jahrelang Pöstchen in der „Aktivitas“, focht dutzende Mensuren und fungierte bei der Mensur am 8. Juli 2022 als „Sekundant“.
Nach seinem Abitur in Lörrach zog Erat nach Konstanz. Dort war er bei der Konstanzer Burschenschaft Rheno-Allemannia aktiv und trat im Jahr 2015 für den RCDS, der Hochschulorganisation der CDU, bei der Wahl für das Studierendenparlament der Uni Konstanz an. Für sein Informatikstudium ging Erat nach Freiburg und war ab 2017 bei der Saxo-Silesia aktiv.
Der Schweizer Rudolf Gut, geboren am 20. August 1987, studierte Geschichte und Religionswissenschaft und ist auch bei der Basler Verbindung Jurassia Basiliensis Basel aktiv. Als im Oktober 2016 eine Razzia bei seinem damaligen „Bundesbruder“ Dubravko Mandic stattfand, kommentierte Gut dies empört:
als Ausländer bin ich (trotz meiner Liebe zu Deutschland und meinen deutschen Wurzeln) immer wieder über die gnadenlose Missachtung der Menschenrechte in der BRD schockiert. Eine Hausdurchsuchung bei einer solchen Lapalie hätte in der Schweiz fatale Folgen für die Behörden. Diese Bananenrepuplikaktionen müssen einem Burschenschafter zuwider sein und wir sollten genau gegen solche Stasimethoden offen demonstrieren- Oder sie wenigstens als das erkennen was sie sind (Das Werkzeug einer Diktatur). Als Burschenschafter waren wir schliesslich schon immer eine moralische Instanz in Deutschland- Bitte besinnt euch darauf! Also Augen auf und schaut was in Europa schief läuft!
Marco Erat veröffentlichte im „Saxenbrief“, dem internen Mitteilungsblatt der Saxo-Silesia, in der Ausgabe des Wintersemesters 2019/2020 einen „Tätigkeitsbereicht der Gewesenen Vorsitzenden der Deutschen Burschenschaft“. Darin beklagte er sich über die von uns sabotierte Verbandstagung im Elsass:
Die Verbandstagung hielten wir in Colmar ab. Leider wurde unsere Veranstaltungsplanung durch eine Gruppe der Antifa kompromittiert. Auf ein im Internet erschienenes Pamphlet reagierten unsere Vertragspartner mit einer Absage der versprochenen Räumlichkeiten.
In seinem „Sprecherbericht“ in derselben Ausgabe schrieb Erat:
Im WS 19/20 blickten wir der letzten großen Aufgabe unseres Vorsitzes entgegen, der Verbandstagung in Colmar. Diese war, vielleicht erinnert sich noch manch Einer, ursprünglich in Straßburg geplant. Wir verlegten jedoch in Absprache mit dem Verbandsrat, weil wir Colmar für geeigneter hielten. Leider wurde uns hier durch die sog. ANTIFA ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die zuvor gemietete Hohlandsburg, das Weingut für den Begrüßungsabend, selbst unser Stadtführer, sagten uns einen Tag vor Veranstaltungsbeginn ab. Grund war ein im Weltnetz erschienenes Pamphlet, wie man es von Gegnern der Burschenschaft gewohnt ist. Einen Tag vor Veranstaltungsbeginn noch ein geeignetes Lokal für die Verbandstagung zu finden war eine Aufgabe der wir, milde ausgedrückt, nervös entgegentraten. Selbst der Leiter des französischen Departement Colmars wies Restaurant- und Cafébetreiber in und um Colmar an, uns den Zugang zu verwehren. Es gelang uns trotzdem! Besonderen Dank gilt unserem Bbr. Gut, welcher für die Organisation der Tagung verantwortlich war.
Bei der Freiburger Gemeinderatswahl 2019 kandidierte Marco Erat auf der Liste der AfD. Ende 2019 wurde Erat „Vorstand Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit“ des „Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V.“, der sich um das „Burschenschaftsdenkmal“ in Eisenach kümmert. Seit April 2022 arbeitet Erat laut seinem privaten Xing-Profil bei der Freiburger Softwarefirma Meona, die bundesweit eingesetzte Kliniksoftware herstellt.
Ein weiteres Mitglied der Saxo-Silesia ist Willibald Körber, der in Mulhouse die Schule besuchte, an der Freiburger Universität Wirtschaftswissenschaften studierte und für ein Auslandssemester nach Cádiz ging. Körber versucht sich als Start-Up-Gründer und Grafikdesigner.
Christoph Albert, geb. 9. Juni 1992, machte an der Göttinger Universität einen Bachelor- und an der Freiburger Universität einen Masterabschluss in Forstwissenschaften. Aktuell arbeitet er als Forstreferendar in Rheinland-Pfalz.
Steve Wohl und Walter Rinsche wohnten in den letzten Jahren ebenfalls im Kapellenweg 4. Walter Rinsche kommt aus Chile und zierte den vor einiger Zeit in Freiburg verbreiteten „Burschen vorknöpfen“-Sticker – sein blutiger Kamerad Martin Hirth musste den Bund wegen Naziumtrieben verlassen.
Andreas Schumacher, AfDler und Saxo-Silese, lebt inzwischen in Baienfurt. Moritz Busam (Medizin) und Christopher Lehmann (Politikwissenschaft) zog es von Freiburg nach Halle zur Halle-Leobener Germania.
Der Verein „Saxo-Silesenhaus zu Freiburg i.B. e.V.”
Seit Juli 2019 ist Jörg Kutscher der Vorsitzende des „Verein Saxo-Silesenhaus zu Freiburg i.B. e.V.”. Jörg Haverkamp ist stellvertretender Vorsitzender und Gunnar Broeßke aus Duisburg ist Kassenwart.
Dr. Jörg Kutscher wohnt in St. Georgen im Schwarzwald, ist von Beruf Zahnarzt und betreibt eine Zahnarztpraxis in der Sommerbergstraße 19 in 78136 Schonach im Schwarzwald.
Kutscher war bei der Mensur am 8. Juli 2022 im Garten des Saxo-Silesenhauses anwesend und hatte eine besondere Rolle: Er war der sogenannte „Paukarzt“ auf Seiten der Saxo-Silesia.
Sein Pendant auf Seiten der Danubia hatte mehr zu tun, da Lipski bei der Mensur durch die scharfe Klinge am Kopf verletzt wurde und blutete. Der „Danube“ Lipski wurde durch den Paukarzt Andreas Hinteregger von der Burschenschaft Teutonia Wien betreut.
Andreas Hinteregger studiert Medizin an der Universität Wien. Er kommt aus Spital am Pyhrn und ist Vorstandsmitglied des „Ring Freiheitlicher Jugend Oberösterreich“, des örtlichen Jugendverbands der FPÖ.
Auch der stellvertretende Hausvereins-Vorsitzende Jörg Haverkamp war bei der Mensur anwesend und gratulierte sichtlich stolz den beiden „Paukanten“. Berührungsängste mit Rechtsradikalen hatte Haverkamp noch nie. In Burschenkreisen ist er dafür bekannt, dass er im Jahr 2009 für die „Burschenschaftlichen Blätter“ ein Interview mit dem NPDler Arne Schimmer führte.
Der „Verein Saxo-Silesenhaus zu Freiburg i.B. e.V.” betreibt das als „Studentenwohnheim“ deklarierte Haus der Saxo-Silesia im Kapellenweg 4 auf dem Lorettoberg in Freiburg. Im Januar 2021 machte der Verein auf lokaler Ebene Schlagzeilen, da er als gemeinnütziger Verein von der Freiburger Sparkasse 1.000 Euro geschenkt bekam. Dass Burschenhäuser von gemeinnützigen Trägervereinen betrieben werden, ist nicht die Ausnahme, sondern bundesweit die Regel. Und das, obwohl reine Männervereine nach einem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs von 2017 nicht gemeinnützig sein dürften.
Die meisten männerbündlerischen Studentenverbindungen in Deutschland haben sich mehr oder weniger intensiv mit diesem Urteil auseinandergesetzt und verschiedene Tricks gefunden, um die Finanzämter zu täuschen. Es ist üblich, zwei separate Vereine zu haben: Den Altherrenverein und den Hausverein.
Der Altherrenverein als reiner Männerverein ist nicht immer ein eingetragener Verein. Der Hausverein, teils auch Hausbauverein genannt, ist meist ein eingetragener Verein und hat oft den steuerbegünstigten Status der Gemeinnützigkeit inne.
In den Hausvereinen können teilweise pro forma auch Frauen Mitglieder werden. Meist sind dies Ehefrauen von „Alten Herren“. Manche Verbindungen vermieten Einliegerwohnungen in ihren Häusern an Studentinnen – so etwa die Danubia München. Wieder andere Verbindungen vermieten ganz regulär auch an Studentinnen – so etwa die Normannia Heidelberg, die nach ihrem Antisemitismus-Skandal ihre gesamte „Aktivitas“ rauswarf und aus Angst vor dem Finanzamt chinesische Austauschstudentinnen mit befristeten Mietverträgen in ihre „Villa Stückgarten“ auf dem Heidelberger Schlossberg ziehen ließ.
Wenig überraschend haben sich die deutschen Studentenverbindungen einen bürokratischen Überbau für ihre Hausvereine geschaffen, an den die Gemeinnützigkeitsfrage delegiert werden kann: Den in Bonn ansässigen „Verband für Studentenwohnheime e.V.“ (VfSt). In der Selbstdarstellung des VfSt von Anfang 2021 heißt es unter der Überschrift „Unsere Leistungen – Ihr Nutzen“:
Im Verband (VfSt) betreuen wir Studentenwohnheimvereine (derzeit knapp 150 bundesweit), die ein Objekt nutzen, welches meistens gleichzeitig durch eine studentische Verbindung genutzt wird. Durch diese Konstellation entstehen (steuer-) rechtliche Herausforderungen, welche durch unsere Hilfe gelöst werden können. In Abstimmung mit der Finanzverwaltung haben wir u.a. Musterverträge geschaffen, welche die beiden Bereiche „Gemeinnützigkeit“ (Studentenwohnheim) und „Geselligkeit“ (Verbindung) klar abgrenzen. (...) Aus der Erfahrung heraus können wir sagen, dass die von uns betreuten Vereine nie ernstlich Probleme mit den Finanzbehörden hatten, während von uns nicht betreute z.T. ihre Gemeinnützigkeit verloren haben und Mittel an den Fiskus zurückerstatten mussten, weil sie relevante Vorschriften nicht beachtet haben.
Im DB-Blatt „Burschenschaftliche Blätter“ erschien in der Ausgabe 02/2022 ein Artikel mit dem Titel „Die Klippen der Gemeinnützigkeit bei Korporationswohnheimen“. In der Einleitung heißt es:
Die meisten Korporationen der unterschiedlichen Dachverbände verfügen über ein eigenes Verbindungshaus. Darin bestehen neben den Räumlichkeiten für den Verbindungsbetrieb auch Studentenzimmer für Mitglieder der Aktivitas oder Keilgäste. Die Vermietung dieser Zimmer erfolgt meist über den eigenen Studentenwohnheimverein, ohne daß dieser Eigentümer der Immobilie ist. Das Haus selbst steht in der Regel im Eigentum des parallel bestehenden Altherrenvereins.
Über die Geschichte des VfSt berichten die Autoren Konrad Thullen (Germania Leipzig und Alte Burgkeller Jena und „Beauftragter für Studentenwohnheime” der DB) und Michael Hacker (Alemannia Bonn und Vorsitzender des VfSt):
Der Vorläufer des VfSt wurde 1953 durch Angehörige fast aller Korporationsverbände begründet. Ziel war es, angesichts der damaligen Wohnungsnot die Bereitstellung studentischen Wohnraums zu fördern. Der heutige Verband für Studentenwohnheime wurde 1975 gegründet, nachdem durch entsprechende Rechtsprechung eine strikte Trennung von Wohnheim und Korporation zur Aufrechterhaltung der Gemeinnützigkeit nötig geworden war.
Der Artikel in dem Burschenblatt wirbt für den Beitritt der DB-Burschenschaften in den VfSt:
Der Verband betreut sowohl selbst gemeinnützige, als auch Wohnheimvereine ohne eigene Gemeinnützigkeit. (...) Die selbst nicht gemeinnützigen Vereine haben daneben durch die Betreuung die Möglichkeit, steuerbegünstige Spendenmittel zu akquirieren und können so den Erhalt der Studentenwohnheime sicherstellen und die Aufwendungen der AHV-Mitglieder (AHV-Beitrag und Wohnheimspende) nach Steuern zu reduzieren.
Damit haben sich die Studentenverbindungen eine Möglichkeit geschaffen, mit der die „Alten Herren“ ihre Spenden und Mitgliedsbeiträge über den VfSt von der Steuer absetzen können. Und das sogar dann, wenn der Hausverein ihrer eigenen Verbindung selbst nicht gemeinnützig ist.
Nur über die Zahlungen der „Alten Herren“ – entweder direkt an den eigenen Hausverein oder über den Umweg VfSt – können die Verbindungen ihre im Unterhalt oft teuren Häuser langfristig halten.
Und ohne die Häuser als zentrale Infrastruktur wäre ein langfristiges Fortbestehen der Männerbünde kaum möglich.
Eine Frage der Ehre: Pro Patria-Suite
Der Ehrbegriff und das studentische Fechten sind zentral für das Verständnis von Burschenschaften. Über den ritualisierten Kampf mit scharfen Waffen wollen pflichtschlagende Bünde die Jungburschen auf Männlichkeit und Härte prüfen. Bei der Mensur ist der Gegner als Individuum unwichtig. Nicht so bei einer „Persönlichen Contrahage“ – die PC ist ein Fechtduell zwischen zwei Burschen – oder bei einer „Pro Patria-Suite“.
Der offensichtlich von korporierter Hand geschriebene Wikipedia-Artikel zu „PP-Suiten“ definiert sie als „Folge von Mensuren zu verschärften Bedingungen zwischen jeweils mehreren Mitgliedern zweier Studentenverbindungen. Die Bezeichnung kommt von lateinisch pro patria (für das Vaterland) und französisch suite (Folge)“. Das ist allerdings (bewusst) falsch dargestellt, denn es handelt sich mitnichten um Mensuren. Eine „Pro Patria-Suite“ ist eben keine Prüfung junger Waffenstudenten, sondern ein Ehrenhandel zwischen zwei Korporationen. Dabei können beispielsweise Corps-Studenten gegen Burschenschafter oder Sängerschafter gegen Landsmannschafter kämpfen.
Diese Duelle unter Korporierten sind nichts anderes als gefährliche Körperverletzungen. Anders als die einfache Körperverletzung wird die gefährliche Körperverletzung als Offizialdelikt von Amts wegen unabhängig vom Vorliegen eines Strafantrages verfolgt und es gibt keine Ausnahmen für Ehrenstreitigkeiten. Zwar kann in eine Körperverletzung eingewilligt werden, aber nicht, „wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt“. Und genau solch ein Verstoß „gegen die guten Sitten“ liegt vor, wenn eine „Pro Patria-Suite“ zur Ausfechtung von Ehrenstreitigkeiten genutzt wird.
Die Allgemeine Deutsche Burschenschaft schreibt in ihrer Zeitung „Der Burschenschafter“ 2/2020 zur Geschichte des „akademischen Fechtens“:
Die Schlägermensur wurde nach § 210 a StGB in der Fassung vom 25. Mai 1933 für straffrei erklärt. Diese Maßnahme hob nach dem Zweiten Weltkrieg das Kontrollratsgesetz der Alliierten vom 30. Januar 1946 wieder auf: Schlägermensuren standen unter Strafe.
In dem Artikel wird von illegalen Mensurtagen Anfang der 1950er Jahre in einem Schwerdter Lokal mit dem Namen „Esel Eckey“ berichtet:
Für Waffenstudenten ist hierbei der 4. Mensurtag bei Esel Eckey von besonderer Bedeutung, der in den Osterferien 1951 stattfand. Einer der Paukanten war Wilfried von Studnitz, geboren am 12. April 1927. Er wurde gleich nach seiner Rückkehr in Göttingen von der Kriminalpolizei festgesetzt und verhört. Ihm wurde vorgeworfen, im Januar, Februar und März 1951 „an nicht näher bekannten Orten durch drei selbstständige Handlungen Zweikämpfe“ ausgefochten zu haben. Er gab zu, an drei Mensurtagen, die im Harz und Ruhrgebiet stattfanden und jedesmal etwa 10 Mensuren umfasst hatten, teilgenommen und je eine Mensur geschlagen zu haben. Wenig später erhielt er eine Anklage wegen verbotenen Zweikampfs.
Lobbyarbeit fürs Fechten machte die 1951 gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Andernach“: „Für den Fall Studnitz beschloss die AGA den Prozess, wenn nötig, durch alle Instanzen zu begleiten.“ Der Prozess gegen Wilfried von Studnitz vom Corps Bremensia Göttingen von 1951 bis zur BGH-Entscheidung des 5. Strafsenats vom 29. Januar 1953 wurde als „Göttinger Mensurenprozess“ bekannt. Der BGH bestätigte den Freispruch des Landgerichts und schloss sich dessen Begründung an, dass „eine Bestimmungs- oder Verabredungsmensur, bei der lebensgefährliche Verletzungen durch die Kampfregeln und – diesen Kampfregeln entsprechend – durch besondere Schutzmaßnahmen mit Sicherheit ausgeschlossen werden [...] kein ,Zweikampf mit tödlichen Waffen‘“ sei. Schließlich seien die „die Kämpfer durch Binden, Bandagen und andere Schutzvorrichtungen gegen lebensgefährliche Verletzungen gesichert“.
Die rechte Einstellung des BGH zu Duellen dürfte auch der damaligen Zusammensetzung des 5. Strafsenats geschuldet sein. Unter den Richtern befanden sich die ehemaligen NSDAP-Mitglieder Herbert Arndt und Guido Schmidt sowie der ehemalige SA-Scharführer Karl Siemer. Der zuständige Bundesanwalt Gerhard Westram war „Alter Herr“ der Burschenschaft Germania zu Würzburg.
Allerdings widersprach der BGH in der Frage der „guten Sitten“ dem Landgericht. Dieses meinte, dass es „sicherlich der allgemeinen sittlichen Volksmeinung“ entspreche, dass Körperverletzungen im Rahmen von Mensuren durch die Einwilligung des Verletzten gerechtfertigt seien. Der BGH betonte jedoch, dass „wegen ihres geschichtlichen Zusammenhangs mit dem Vorrechtsanspruch einzelner Stände“ die „Schlägermensur von weiten Teilen des Volkes mißbilligt“ werde. Dennoch sah der BGH im Fall von Studnitz keinen Sittenverstoß gegeben, da sich nicht „a l l e billig und gerecht Denkenden über die Sittenwidrigkeit der Bestimmungsmensur einig“ seien.
Der entscheidende Satz steht jedoch ganz am Ende des Urteils: „Zur Vermeidung von Missverständnissen sei hervorgehoben, dass die vorderstehenden Erörterungen sich nicht auf solche Mensuren beziehen, die der Austragung von Ehrenhändeln dienen.“ Zwar gaben die Vertreter waffenstudentischer Verbände 1953 eine Erklärung ab, dass der Grundsatz der unbedingten Satisfaktion nicht mehr die Austragung eines Zweikampfes mit der Waffe erfordere.
Dennoch wurden und werden weiter Duelle unter Korporationen um Ehrstreitigkeiten ausgefochten, wie ein aktuelles Beispiel aus Hannover auf ekelhafte Weise zeigt: „Anlass [...] war eine Auseinandersetzung auf einer Party, die damit endete, dass Mitglieder der Burschenschaft Normannia der Burschenschaft Germania ins Waschbecken pissten. Darauf fühlten sich die Aktiven von Germania in ihrer Ehre gekränkt und forderten eine Pro Patria Suite.“
In Freiburg gab es 2015 beispielsweise eine „Pro Patria-Suite“ zwischen der Sängerschaft Guilelmia-Niedersachsen und der Sängerschaft Markomannen zu Brünn in Karlsruhe sowie eine zwischen der Landsmannschaft Neoborussia und der Turnerschaft Markomannia-Albertia. Letztere fand auf dem Haus der Burschenschaft Teutonia statt, genau wie die „Pro Patria-Suite“ zwischen der Alten Königsberger Burschenschaft Alemannia in Kiel und der Burschenschaft Saxo-Silesia Freiburg am 28. August 2022.
Im „Paukcomment des Freiburger Waffenringes“ gibt es über ein Dutzend Paragraphen zum „PP- und PC-Comment“. Um eine Verbotsdebatte zu umgehen, steht wenig überraschend, aber glatt gelogen im Kapitel „Sonderregelungen“: „Eine PP-Suite darf nicht zur Austragung von Ehrenstreitigkeiten dienen.“ Im folgenden Absatz gibt sich der „Waffenring“ etwas offenherziger: „Eine PP-Forderung kann regelmäßig ausgesprochen werden, nachdem sich der zu fordernde Bund schriftlich über ein Fehlverhalten verwundert hat.“
Zwar gibt es korporationsintern auch kritische Stimmen zu euphemistisch „Verabredungsmensuren“ genannten Fechtduellen. So diskutierte das Corps Suevia Freiburg im Frühling 2018:
Es ist klargeworden, dass sich die Alten Herren weniger an dem Umstand stoßen, dass junge Corpsbrüder, wenn sie den Drang verspüren, freiwillig statutenkonforme Verabredungsmensuren fechten, sondern sehr vielmehr an den Bezeichnungen „Persönliche Contrahage“/PC bzw. „Pro Patria“/PP. Diese Bezeichnungen sind nach dem verinnerlichten Verständnis der Corpsbrüder, die gerade in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg aktiv geworden waren, derart negativ besetzt bzw. verbrannt, dass sie einen unweigerlich abstoßenden Effekt bei diesen Corpsbrüdern auslösen und dass deren Verwendung zu einer nachhaltigen Entfremdung mit unserem Corps führt.
Aber alle schlagenden Verbindungen achten sehr darauf, in der Öffentlichkeit keine Verbotsdebatte aufkommen zu lassen. Denn nicht wenige fürchten, dass dann die illegalen Duelle tatsächlich verfolgt würden. Falls es irgendwann eine neue höchstrichterliche Entscheidung geben sollte, dürfte diese heute anders ausfallen als 1953. Und das Ende von „Persönlichen Contrahagen“ und „Pro Patria-Suiten“ könnte der Beginn der Abschaffung aller Rituale toxischer Männlichkeit sein, auch jenem der Mensur.
Autonome Antifa Freiburg
Communiqué vom 7. September 2022