Vom 15. bis 17. September will die Deutsche Burschenschaft (DB) ihre Verbandstagung im italienischen Südtirol/Alto Adige veranstalten. Wie 2019 in Colmar und 2022 in Düsseldorf wurden den Naziburschen auch 2023 in Algund die Räumlichkeiten nach antifaschistischen Interventionen gekündigt. Obwohl sie unerwünscht ist, hält die DB an Südtirol als Veranstaltungsort aus ideologischen Gründen fest. Denn die Deutsche Burschenschaft veranstaltet ihre „Verbandstagungen“ bevorzugt in Regionen, die sie gerne wieder „heim ins Reich“ holen will – wie Tschechien, das Elsass oder nun eben Südtirol.
Die „Deutsche Burschenschaft“ hat den Bozener Anwalt Otto Mahlknecht beauftragt. Er ist der Vizeobmann der Freiheitlichen, einer rechtsradikalen Splitterpartei unter vielen in Südtirol. Otto Mahlknecht hat laut Ankündigung am 17. Juni 2022 in Innsbruck ein Grußwort für die Burschenveranstaltung „61 Jahre Feuernacht – Eine Würdigung“ beigesteuert.
Die Südtiroler Bombenkampagne und insbesondere die „Feuernacht“ auf den 12. Juni 1961, bei der rund 40 Strommasten gesprengt wurden, wird von Korporierten noch heute als „Freiheitskampf“ verherrlicht. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Burschenschaft Brixia Innsbruck in der Deutschen Burschenschaft, die neben der Wiener akademischen Burschenschaft Olympia die meisten Burschenschafter für die damalige Terrorkampagne stellte. Tote wie Giovanni Postal, der nach der „Feuernacht“ durch eine nicht explodierte Bombe starb, wurden billigend in Kauf genommen. Später gab es auch gezielte Attentate, insgesamt wurden 17 Menschen ermordet.
Heute wird die völkische Politik der Deutschen Burschenschaft vom „Volkstumsbeauftragten“ Bruno Burchhart von der Olympia Wien koordiniert. Die Burschenschaft Olympia wurde aufgrund ihrer finanziellen und personellen Beteiligung an der Südtiroler Terrorkampagne 1961 behördlich aufgelöst. Sie existierte dennoch als Wiener akademischen Burschenschaft Vandalia weiter und wurde erst 1973 unter ihrem alten Namen neu gegründet. Die Olympia stellte von 2008 bis 2013 mit Martin Graf von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) den dritten Nationalratspräsidenten.
Auch wenn sich in Österreich mit der FPÖ mittlerweile eine Partei der „Deutschen Burschenschaft“ etabliert hat, dreht sich auch dort der Wind: Die ÖVP/FPÖ-Landesregierung von Oberösterreich hat entschieden, dass vor einer Vermietung landeseigener Veranstaltungssäle an „deutschnationale Burschenschaften“ eine Einzelfallprüfung stattfinden muss. Ausschlaggebend war, dass „Kontakte zu rechtsextremen Gruppierungen, wie der Identitären Bewegung, vorhanden sind“, wie die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in ihrem „Verfassungsschutzbericht 2021“ schrieb.
In Deutschland gilt die Deutsche Burschenschaft spätestens seit einer antifaschistischen Intervention 2011 als Nazidachverband. Der Spiegel titelte damals: „Datenleck: Interne Papiere enthüllen Rechtsextremismus bei Burschenschaften“. Entsprechend können „Burschenschafter“ heutzutage nur noch in der „Alternative für Deutschland“ (AfD) Karriere machen. Auch andere Dachverbände werden geächtet: Die DB-Abspaltung „Allgemeine Deutsche Burschenschaft“ (ADB) musste beispielsweise eine für Juni geplante Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche nach Protesten wieder absagen.
Mit der Schülerverbindung Gothia zu Meran existiert auch in Südtirol eine „schlagende“, deutschnationale Verbindung. Sie ist im Österreichischen Pennäler Ring organisiert, dort aber zur Zeit suspendiert, da sie über keine „Aktivitas“ verfügt. Vermeintlich wenige Kilometer vom geplanten Veranstaltungsort Algund beheimatet, wohnen die meisten „Alten Herren“ jedoch im Ausland, bevorzugt in Österreich.
Ihren letzten Generalconvent hielt die Gothia im April 2023 auf dem Haus der Landsmannschaft Tyrol Innsbruck im Coburger Convent (CC) ab, die mit Hubert Stech den aktuellen CC-Vorsitzenden stellt. Rund ein Viertel der Gothia-Mitglieder sind auch „Alte Herren“ der „schlagenden“ Universitätssängerschaft Skalden zu Innsbruck. Ein weiteres Viertel ist „Alter Herr“ in einem Mitgliedsbund der „Deutschen Burschenschaft“. Diese „Herren“ werden mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer „Verbandstagung“ in Südtirol teilnehmen, sollte sie denn stattfinden.
Der „Altherrenobmann“ der Gothia, Germar Campidell, arbeitet für das „Umwelt und Natur“-Amt der Oberösterreichischen Landesregierung und war Landtagskandidat der Südtiroler Freiheit. Mit Harald Stefan und Gerhard Kaniak hat die Gothia Meran gleich zwei FPÖ-Nationalratsabgeordnete, mit Udo Guggenbichler und Andreas Schöppl zwei FPÖ-Landtagsabgeordnete und mit Herbert Haupt sogar einen ehemaligen Vizekanzler der FPÖ in ihren Reihen.
Bei der Wiener akademischen Burschenschaft Albia, welche die „Verbandstagung“ der „Deutschen Burschenschaft“ mitorganisiert, gab es kürzlich eine Razzia im Zuge von Ermittlungen wegen „Wiederbetätigung im Sinne des Nationalsozialismus“ gegen ihren „Alten Herren“ Guggenbichler. Weitere „Alte Herren“ der Gothia Meran sind die Rechtsradikalen Thomas Hüttner, Werner Neubauer, Thomas Edtmeier und Martin Pfeiffer. Auch Pfeiffer muss sich als ehemaliger Chefredakteur der Nazipostille „Aula“ in Kürze wegen des Verdachts auf „Wiederbetätigung“ vor Gericht verantworten.
Deutschland, Österreich, Südtirol – einst war die Organisation von Veranstaltungen in diesen Regionen ein Leichtes für die „Deutsche Burschenschaft“. Doch die Gesellschaft hat sich überall in Europa verändert, und es ist ein großer Fortschritt, dass deutschnationale „Burschenschaften“ heutzutage erhebliche Probleme mit der Durchführung ihrer völkischen Tagungen haben. Selbst wenn es ihnen doch gelingen sollte, ihre Verbandstagung im September in Südtirol durchzuführen, hat ihnen die öffentliche Diskussion schon jetzt erheblich geschadet. Doch die Zeit wird kommen, in der es sich bei Strafe öffentlicher Ächtung niemand mehr leisten kann, den Nazis der „Deutschen Burschenschaft“ Obdach zu geben.
Autonome Antifa Freiburg