Samstag, 14.09.2024

Der Fall des rechten Richters Bengt Fuchs sorgt für Diskussionen unter JuristInnen. Nach einem zwei drei vier Berichten des juristischen Nachrichtenportals Legal Tribune Online, wurden nun ein zwei Artikel auf dem juristischen Debattenportal Verfassungsblog zum Thema veröffentlicht.
In „Freies Ermessen im Freistaat Thüringen?“ wird die Frage erörtert, „wie migrationsfeindliche Landesregierungen aufenthaltsrechtliche Auslegungs- und Ermessensspielräume missbrauchen könnten“. Bengt Fuchs wird als Beispiel für rechten Machtmissbrauch genannt:
„Auf exekutiven Ungehorsam gegenüber Gerichten – eine ernstzunehmende Gefahr – muss die Judikative reagieren. Zugleich ist ihre Kontrollfunktion bei großem Verwaltungsspielraum besonders gewichtig. Repressive Praktiken wurden zuletzt allerdings auch aus Thüringens Gerichtsbarkeit öffentlich. Das VG Gera geriet nicht nur wegen seiner außergewöhnlich niedrigen Schutzquote bei der gerichtlichen Überprüfung von Asylbescheiden in die Schlagzeilen, sondern auch wegen schwerwiegender Rassismusvorwürfe gegen seinen Vizepräsidenten Bengt Fuchs, gegen den mittlerweile ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Ein Einzelfall ist das nicht: Von Richter*innen mit rechter Gesinnung wird gerade aus Thüringen bereits seit einigen Jahren berichtet.“
In „Institutioneller Rassismus in der Justiz“ geht es um den Skandal an sich: „Asylklagen vor dem Verwaltungsgericht (VG) in Gera sind bisher selten erfolgreich gewesen. Der ehemals zuständige Richter, Bengt Fuchs, steht unter Verdacht, seine richterliche Unabhängigkeit missbraucht zu haben. [...] Ein Missbrauch richterlicher Unabhängigkeit liegt vor, wenn Richter*innen diese Unabhängigkeit in einer Weise nutzen, die dem Zweck dieser Unabhängigkeit (neutral, also möglichst unvoreingenommen Recht zu sprechen) widerspricht. Mit Missbrauch meinen wir nicht die äußere Einflussnahme auf Richter*innen, sondern, dass Richter*innen persönliche Voreingenommenheiten wie rassistische biases in Urteile übersetzen – und so eben nicht neutral Recht sprechen. [...]
Dass man bei Fuchs ,keinen Blumentopf gewinnen‘ kann, ist seit Jahren bekannt. Ein ,Bengt-Christian Fuchs, Salia Jenensis Göttingen‘ hatte sich im Internetforum ,Tradition mit Zukunft‘ jahrelang rassistisch, homophob, antiziganistisch und sexistisch geäußert. Erst im Juli dieses Jahres, nachdem die Antifa Freiburg die Posts öffentlich kritisierte, wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Fuchs’ Urteile verdeutlichen, wie autoritär-populistisch gesinnte Richter*innen urteilen und unter dem Deckmantel der richterlichen Unabhängigkeit gegen BPoC vorgehen (könnten). Damit stützen sie die Strategie autoritär-populistischer Partei, das konstruierte, homogene, (im Fall Thüringens) weiße Volk politische Wirklichkeit werden zu lassen. Im Falle rassistisch restriktiver Asylrechtsprechung werden BPoC aus der Gesellschaft ausgeschlossen – so wird das völkische Ideal autoritärer Populist*innen nach und nach Wirklichkeit.“

Die Verantwortung der Justiz – und ihr Versagen – wird klar benannt: „Die Verantwortung, Rassismus abzuschaffen, liegt bei denen, die nicht rassifiziert werden und von rassistischen Strukturen profitieren – nicht bei den Betroffenen. Auffällig oft kümmern sich ausschließlich zivilgesellschaftliche Organisationen in der Anti-Rassismus-Arbeit darum, rassistische Verdachtsfälle in der Justiz aufzuarbeiten.“
Beide Artikel sind Teil des Thüringen-Projekts. Der Verfassungsblog fragte im Vorfeld der Landtagswahl „was wäre, wenn?“, denn „im Herbst 2024 wird in Thüringen gewählt. Was passiert, wenn autoritär-populistische Parteien staatliche Machtmittel in die Hand bekommen?“
Ein solches Machtmittel ist eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Sitze im Erfurter Landtag. In Thüringen gibt es 88 Sitze im Parlament, also sind 30 Sitze eine Sperrminorität. Bei den Landtagswahlen am 1. September 2024 erreichte die AfD in Thüringen 32 Sitze.
Das dürfte sehr konkrete Folgen für den juristischen Betrieb haben, wie die Zeit schreibt: „In den kommenden zehn Jahren gehen in Thüringen 50 Prozent aller Richterinnen und Richter in den Ruhestand. Eine Nachbesetzung mit auf Lebenszeit ernannten Richterinnen oder Richtern nimmt in Thüringen der Richterwahlausschuss vor. Diesen Ausschuss kann die AfD nun vollständig blockieren, denn: Die parlamentarischen Mitglieder des Richterwahlausschusses werden mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Ohne die AfD ist das nicht mehr möglich.“