Am 4. Februar hat die taz einen antifaschistischen Beitrag zur Debatte um Berufsverbote in Bayern veröffentlicht. Anlass ist das Berufsverbot gegen die Antikapitalistin Lisa Poettinger. Zumindest in der taz-Community wird angeregt diskutiert: einmal so viel Verständnis und Vergebung entgegengebracht bekommen wie ein Neonazi in Deutschland.
In dem Artikel geht es um Matthias Zeilinger, seit 2021 Gymnasiallehrer am Hochfranken-Gymnasium Naila in Oberfranken. Doch bevor Zeilinger begann, an dem Gymnasium zu unterrichten, musste auch er erst einmal sein zweijähriges Referendariat machen. Zu Beginn seiner Referendariatszeit war das letzte nachgewiesene klandestine Nazizeltlager unter seiner Führung erst rund vier Jahre her. Denn noch 2015 leitete Zeilinger ein „Sturmvogel“-Lager und noch 2016 – also nur drei Jahre vor seinem Referendariat – trat er offen als Aktivist der „Identitären Bewegung“ auf:
„Fotos zeigen Z. im Jahr 2015 auf einem Zeltlager im Brandenburgischen Grabow, das er geleitet haben soll. […] Noch 2016 ist Michael Z. zudem auf einem Foto bei einer Aktion der rechtsextremen Identitären in Wien zu sehen, auch hier nicht nur als Mitläufer, sondern mit Megafon in der Hand.“ Trotzdem wird Michael Zeilinger von seiner Schule als „Aussteiger“ bezeichnet. Wieso eigentlich?
Von Michael Zeilinger gibt es dazu: kein Wort. Hat der angebliche Aussteiger wirklich keinen Kontakt mehr zu seinem IB-Bruder Sebastian Zeilinger und dessen Naziehefrau Inka Mörig? Inka ist die Tochter von Gernot Mörig, dem Potsdam-Organisator. Darauf gibt es keinen Hinweis und auch nicht darauf, dass Michael Zeilinger seinen Lebensbund aufgekündigt hätte. Denn Zeilinger wurde „Alter Herr“ der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ in der „Deutschen Burschenschaft“, eine einschlägig bekannte Naziburschenschaft. Als „Aktiver“ der „Raczeks“ war Zeilinger 2011 an den Planungen zur Gründung einer Nazipartei in Deutschland beteiligt.
In einer Seminararbeit am Philosophischen Institut der Uni Würzburg in Neuerer Deutscher Literaturgeschichte schrieb Zeilinger 2015 über das Frühwerk von Ernst Jünger und insbesondere über dessen „Wandervogel“-Zeit: „In einer Zeit, in der an den Universitäten der Großteil der Studenten in einer Verbindung organisiert war, in Corps und Burschenschaften, Landsmannschaften, Turnerschaften und so weiter, wo die Schülerverbindungen mit ihren bunten Mützen, ihrer Kneipe, ihrem Komment und ihrem trinkfreudigen Betrieb das Studentenleben nachzuahmen trachteten, da war es dem Wandervogel egal, ob das Mitglied ihrer aufblühenden Gemeinschaft ein Student, ein Schüler oder ein Handwerker war. Er musste charakterlich hineinpassen, musste Sittlichkeit vertreten, unternehmerfreudig sein. Die meisten hoben sich damals von der Masse ab. Der Wandervogel bot der Jugend einen Raum, ,in dem sich alle jugendlichen Instinkte für das Einfache, Echte, Gesunde, Natürliche, Volkstümliche, für Nüchternheit, Reinheit, Selbstbeherrschung auswirken konnten.‘ […] Ernst Jünger verspürt Geborgenheit und empfindet rauschhafte Freude. Er bewundert den Gruppenführer, der mit seiner Art echtes Führertum ausstrahlt.“
Nicht nur an dieser Stelle lässt Zeilinger autobiographische Elemente einfließen. Oftmals identifiziert er sich auch ganz offen mit dem jungen Jünger, einem Vordenker der „Konservativen Revolution“: „Im Krieg führt er sorgfältig Tagebuch, aus dessen Notizen er später u.a. In Stahlgewittern ausformuliert. Gerade in diesen Schilderungen blanken Erlebens zeigt sich unser Anarch, der inmitten eines Bombenhagels ruhig an seiner Zigarette zieht, der in Anflügen eines Abenteurers als Leutnant seinen Männern im wilden Rausch zum Sturme vorangeht, dessen désinvolture sich auch nicht zuletzt in der Abstumpfung gegenüber Leid und Tod, dem fremden sowie dem eigenen, zeigt. Der Krieg war für ihn ein großes Abenteuer, das er schließlich mit dem höchsten preußischen Orden verließ.“
Heute ist Michael Zeilinger Lehrer für Deutsch und Sport an einem staatlichen Gymnasium. Wie er über Jünger sagte: „Der Anarch sieht das Leben als Spiel, er nimmt es nicht ganz ernst, sieht über manche Gefahren hinweg und fügt sich nur aus Pragmatismus bis zu einem gewissen Grad unter das System.“ Oder im Klartext: Der völkische Nazibursche unterrichtet jetzt Kinder in Bayern. Die Antifa vergisst nicht. Vergeben könnt ihr vergessen.