Der Missbrauchsskandal um den korporierten „Seelsorger“ Edmund Dillinger sorgt weiterhin für Schlagzeilen, denn die „Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier“ hat ihren zweiten Zwischenbericht veröffentlicht.
Wesentliche Voraussetzung für Dillingers Missbrauch war seine Mobilität. Er entfaltete „eine ausgedehnte Reisetätigkeit in Deutschland, Europa und darüber hinaus. Eröffnet wurde ihm diese Möglichkeit durch seine Bestellung zum zunächst ehrenamtlichen, später hauptamtlichen CV-Seelsorger. Diese Position hatte er von 1970 bis 1982 inne. Sie umfasste seine Verpflichtung zu Besuchen der Verbindungen und Veranstaltungen des CV, die Wahrnehmung priesterlicher Aufgaben, die Teilnahme an CV-Ratssitzungen, Cartellversammlungen, Stiftungsfesten, Altherren-Zirkeln, Studententagen, Diskussionsrunden, Seminaren, Tagungen, Vorträgen und die religiöse Betreuung der CV-Studenten“.
Doch obwohl Dillinger in acht CV-Korporationen und Bundesseelsorger des „Cartellverbands der katholischen deutschen Studentenverbindungen“ war und obwohl der CV in dem 40-seitigen Bericht über 70 Mal vorkommt, sind Dillingers Verbindungen kaum Thema in der Presse. Dabei war er qua Amt während ihrer „Aktivenzeit“ auch für die Seelsorge von Laschet und Merz zuständig.
Hauptsächliche Grundlage des Berichts sind die „bei dem Beschuldigten sichergestellten Unterlagen, nämlich 3825 Diapositive und Negative, 512 Fotos, weitere 48 Dias und 120 Postkarten“. Die Fotos wurden von Dillinger „in einer Zeitspanne von Anfang der 60-iger Jahre bis Ende des letzten Jahrhunderts“ aufgenommen.
„Die ältesten Aufnahmen durch D. sind ersichtlich entstanden bei Schulausflügen, Klassenfahrten, Messdienerfahrten, Ferienlagern, Sportfesten, Pfadfindertreffen usw., an denen er offenbar als Begleitperson, Aufsichtsführender oder Geistlicher teilgenommen hatte. Die hierbei entstandenen Fotos sind überwiegend unauffällig, jedoch befinden sich schon unter diesen frühen Lichtbildern Aufnahmen, die auf eine homophil-päderastische Neigung hindeuten.“ Auf Fotos einer Tunesien-Reise Dillingers 1969 mit minderjährigen Messdienern ist ein „junges männliches Mitglied der [Gastfamilie] sehr häufig abgebildet. Zahlreiche Bilder zeigen ihn lediglich mit Bade/Unterhose bekleidet in geschlechtsbetonten Posen.“
In dem Bericht wird Dillinger wenig überraschend als widerlicher Kolonialist, aber auch posthum als bisexuell geoutet. Am Rande von Reisen im Rahmen der der „CV-Afrika-Hilfe“ fotografierte Dillinger afrikanische Frauen und Männer – halbnackt, nackt und beim Sex. Auch sind Aufnahmen erhalten, die ihn bei sexuellen Kontakten zu Frauen zeigen. Auch aus Thailand wurden Fotos von Dillinger gefunden, natürlich bei Sextourismus.
Neben den Fotos sind auch ganze zwei von Dillingers Jahreskalendern erhalten geblieben: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass D. die Kalender sorgfältig und akribisch führte. Er notierte detailliert eingehende und ausgehende Telefonate, SMS, E-Mails, Treffen mit Personen und Besuche, Einkäufe, Fahrten zum Tanken, auswärtige Mittagessen, den Besuch einer Messe oder die (täglich) zu Hause zelebrierte Messe.“ Die anderen Kalender wurden ein Opfer der Sabotage des „ermittelnden“ Staatsanwalts:
„Dass die Kalender, die ab 1967 vorgelegen haben, vernichtet wurden, stellt daher einen herben in seinen Ausmaßen nicht abzuschätzenden Verlust für die Aufarbeitung dar.“
In einem Vermerk des polizeilichen Sachbearbeiters vom 5. Juli heißt es: „Nachdem die Ermittlungen im Prüfverfahren in der Sache ,Causa Dillinger‘ abgeschlossen wurden, teilte StA […] mit, dass die sichergestellten Asservate nicht weiter benötigt werden. In Absprache mit […] wurden die Asservate am 05.Juli 2023 der Müllverbrennungsanlage Velsen zugeführt und damit vernichtet.“
Zwar sind einige konkrete Missbrauchsopfer bekannt, aber die Dimension des Missbrauchs wird wohl nicht mehr bekannt werden. Stattdessen bekam die Aufarbeitungskommission eine Lektion über Verbindungen, die über den Tod hinaus wirken:
„Dass die Entscheidung über unser in den Akten befindliches Einsichtsgesuch vermutlich bewusst bis nach der Vernichtung der Asservate zurückgestellt wurde, stellt einen gravierenden, nicht nachvollziehbaren und leider auch nicht mehr zu behebenden Fehler dar.“
„Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen D. hatte die Leitung des Cartellverbandes die CV-Mitglieder dazu aufgerufen, etwaige Erkenntnisse entweder der Pressestelle des CV oder, einer hiesigen Bitte entsprechend, dem Auswerteprojekt im
Bistum Trier mitzuteilen. Es haben keine Erkenntnisse gewonnen werden können. Weder hier noch bei der Pressestelle des CV sind bis zum 01.11.2023 Mitteilungen
aus Kreisen des CV eingegangen.“
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