Am 4. April gab es in Strasbourg einen Aufstand gegen den NATO-Gipfel, die Kriege im Ausland und die Aufstandsbekämpfung im Inland. Bereits nach dem Mord in Athen im letzten Dezember und während der G20-Proteste in London, wo am 1. April vor der Bank of England ein Passant von der Polizei hinterrücks erschlagen wurde, revoltierten AnarchistInnen gegen Staat und Kapitalismus. In Strasbourg wurden die Riots von Autonomen und Jugendlichen aus der Banlieue initiiert. Bei der Bevölkerung der meist ärmeren Stadtteile, in welche die Riots von den französischen Behörden bewusst verlagert wurden, stieß die gegen die Polizei gerichtete Gewalt größtenteils auf Genugtuung und praktische Solidarität.
Auf deutscher Seite wurden über 20.000 PolizistInnen eingesetzt. Zudem wurden sogenannte „Gefährderanschreiben“ verschickt, Meldeauflagen erlassen und Ausreiseverbote verhängt. Von den französischen Behörden wurden Einreiseverbote durchgesetzt, so dass sich viele jüngere Menschen mit europäischem Pass mit Polizeischikanen an geschlossenen Grenzen konfrontiert sahen. Bereits knapp eine Woche vor dem Gipfel fand in Freiburg am 30. März eine antimilitaristische Großdemonstration mit über 2.000 TeilnehmerInnen statt. Durch den Einsatz tausender PolizistInnen sollte jeder Ausdruck legitimen Protests unterdrückt werden. Diese Erfahrungen mit der deutschen Polizei, die geschlossenen Grenzen, das Vorgehen der französischen Polizei in Strasbourg und die anschließende Schnellverfahren politisierten und radikalisierten viele Unzufriedene.
Den Strasbourger Aufstand versuchte die französischen Polizei durch den Einsatz von Waffen zu unterdrücken. Sie schoss gezielt Gummigeschosse groß wie Tennisbälle, die sehr schmerzhaft sind und große Hämatome verursachen. Es wurden Schockgranaten in großen Mengen eingesetzt, um Massenpanik in größeren Menschenmengen auszulösen. Neben einem sehr hellen Lichtblitz und einer ohrenbetäubendem Explosion, die zu Langzeithörschäden führen kann, verursachen die Granaten Splitterwunden durch umherfliegende Aluminiumfragmente. Diese Splitter können nur schwer entfernt werden, da Aluminium unter Röntgenstrahlen nicht sichtbar ist. Zusätzlich verursachen die Granaten vermutlich durch Sprengstoffklumpen, die nicht sofort explodiert sind, penetrierende Brandwunden, sowie die bei Schockgranaten übliche direkte Schockwirkung auf das Gewebe.
Diese Kriegswaffen gegen die Bevölkerung einzusetzen ist ebenso verwerflich wie der massenhafte Einsatz von Chemiewaffen. Mehrere Tage gab es Gasangriffe im großen Stil, teilweise wurde aus Helikoptern geschossen. Bei der Auftaktkundgebung im Jardin des deux rives wurden 20.000 Menschen eingegast. SanitäterInnen wurden bei der Behandlung von Verletzten ebenso wie gekennzeichnete Presse bei der Reportage gezielt mit Gas angegriffen. Im sogenannten Frieden gilt nach wie vor nicht das Genfer Protokoll vom 17.06.1925, in dem zur Begründung auch der Ächtung von Augenkampfstoffen festgehalten ist: „Die Erwägung, dass die allgemeine Meinung der zivilisierten Welt es mit Recht verurteilt habe, erstickende, giftige oder gleichartige Gase sowie ähnliche Flüssigkeiten, Stoffe oder Verfahrensarten im Kriege zu verwenden.“
Es gab auch Fälle individuellen Terrors von Seiten der Polizei. Nach dem Kessel in der Rue du Port du Rhin haben als Autonome verkleidete Polizisten DemonstrantInnen selektiert, die daraufhin von uniformierten Polizisten verprügelt wurden. Zuvor warf eine CRS-Einheit Steine auf friedliche DemonstrantInnen. Bei der Abreise vom Camp wurden Geld, Laptop, Kameras und Handys von der Polizei gestohlen. Die Frage nach einem Beschlagnahmeprotokoll wurde beantwortet mit: „Laptop? Was für ein Laptop? Verschwinde!“
Mögen die Jugendlichen aus der Banlieue auch andere Lebenswirklichkeiten als die zugereisten Autonomen haben: Uns eint der Hass auf Staat und Polizei. Der französische Staat wollte in Strasbourg jeden Protest – ob friedlich oder militant – mit Gewalt unterdrücken. Die in einem grenzüberschreitenden Festakt abgefackelten Grenzgebäude sind ein Symbol des Scheiterns dieser Unterdrückungsstrategie, wie die entglaste Militärkaserne ein Symbol des Widerstands gegen die Kriegspolitik der NATO ist. Die Plünderung der Tankstelle war gelebte Enteignung und das niedergebrannte Hotel wird nie wieder Polizei beherbergen. Nur die verdammte Kirche mit dem Victor Hugo-Graffiti „Die Religion ist nichts als der Schatten, den das Universum auf die menschliche Intelligenz wirft“ wollte partout nicht brennen.
Vive l‘anarchie !
Autonome Antifa Freiburg