Am 14.11.2009 wurde in Freiburg eine antifaschistische Demonstration für autonome Zentren von der Polizei verhindert. Schon vor der Demonstration gingen Polizei und Stadtverwaltung auf Konfrontationskurs: die Stadtverwaltung blockierte ein von der KTS-Demovorbereitungsgruppe angebotenes Deeskalationsgespräch mit der Polizei, Websites mit Demonstrationsaufrufen wurden zensiert und öffentlich eine Null-Toleranz-Politik angekündigt.
Für die Durchführung seines en detail geplanten Polizeimanövers erhielt der von Stuttgart eingesetzte Polizeichef Heiner Amann eine Carte Blanche vom grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon. Dieser versteckte sich — wie bei demonstrativen Auseinandersetzungen in Freiburg üblich — hinter dem SPD-Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung Walter Rubsamen und dem verantwortlichen CDU-Bürgermeister Otto Neideck.
Der Anlass für die Demonstration war der Nazibrandanschlag auf die KTS in der Nacht auf den 09.09.2009. Zuvor waren der NPD-Kreisverband Freiburg-Südlicher Oberrhein zerschlagen und die Bombenanschlagspläne südbadischer Nazis durch die Antifa vereitelt worden. Die Demonstration sollte zeigen, dass nicht die Ignoranz der Stadtverwaltung oder die Tatenlosigkeit der Polizei, sondern die Existenz des Autonomen Zentrums die Naziszene in Freiburg kleinhält. Um vom eigenen Versagen abzulenken wurde die KTS-Demonstration durch eine regelrechte Polizeiarmee verhindert.
Der Versuch, eine vermummte Demonstration durch Verhandlungen durchzusetzen, war ein politischer Fehler. Unsere Dialogbereitschaft im Vorfeld der Demonstration steht jedoch im Widerspruch zum Kommentar in der Badischen Zeitung vom 17. November. Darin heißt es, wir hätten „wie auf einem Abenteuerspielplatz eine Variante von «Räuber und Gendarm» […] ohne Spielregeln“ inszeniert und sollten uns der Frage nach unserer Verantwortung stellen, uns von den „reisenden Krawallmachern“ distanzieren, die „alles im Sinn [hatten], aber keine friedliche Demo für eine gute Sache.“
Die Gewalt ging am Tag der Demonstration fast ausschließlich von der Polizei aus. Trotzdem werden wir aufgefordert unsere GenossInnen in vorauseilendem Gehorsam für ihre angeblich gewalttätigen Absichten zu verurteilen. Wir verurteilen Flaschenwürfe auf die eigenen Leute, denn sie treffen die KämpferInnen für eine gute Sache, die von nah und fern zu antifaschistischen Demonstrationen kommen. Deshalb lehnen wir auch Alkohol auf Demonstrationen ab, denn er führt oft zu solch ungezielten Aktionen.
Aber die Wut, die unsere GenossInnen beim Anblick maskierter Knüppelhundertschaften empfinden, die verurteilen wir nicht, die teilen wir. Von der Polizei eingekesselt zu werden, erzeugt mehr Wut. Im Polizeikessel mit Waffengewalt angegriffen und verletzt zu werden, weckt das Bedürfnis nach Vergeltung. Im Regen stehen gelassen und anschließend durchsucht, fichiert und gedemütigt zu werden, verstärkt das Bedürfnis nach Vergeltung. Vor diesem Hintergrund wird der Brandanschlag auf einen Porsche Cayenne auf dem Lorettoberg in der Nacht auf den 20.11.2009 verständlich.
Zwar empfinden wir wie nach dem Brandanschlag auf ein Polizeifahrzeug in der Nacht auf den 08.06.2009 als Reaktion auf die vorangegangene Polizeigewalt bei der Antonia-Demonstration am 20.05.2009 und der Schattenparker-Demo am 06.06.2009 auch diesmal klammheimliche Freude angesichts der militanten Antwort auf die staatliche Repression. Die Anschläge werden allerdings weder zu weniger Repression noch zu einer breiten Solidarisierung führen.
Wir müssen wie nach dem Kessel bei der Schattenparker-Demonstration am 02.12.2005 und dem Kessel während des DIY-Festivals am 29.07.2006, der verhinderten Love or Hate-Parade am 01.05.2007 und der von einem absurden Polizeiaufgebot erstickten Anti-NATO-Demonstration am 30.03.2009 sorgfältig Wege durch die Wüste des Polizeistaates suchen.
Das Ziel ihrer Repression ist neben individueller Einschüchterung und kollektiver Abschreckung letztendlich eine Spaltung der linken Szene. Doch die unvergessliche Stimmung im Freiburger Polizeikessel, mit der die Linken im Novemberregen der Repression trotzten, ist Ausdruck jener Solidarität, die uns auch weiterhin den Mut gibt, die entscheidenden Fragen zu stellen:
Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt?
Autonome Antifa Freiburg