Nach dem ersten und zweiten Prozesstag (mit erfolglosem Befangenheitsantrag) im Berufungsverfahren vor dem Freiburger Landgericht gegen Dubravko Mandic gab es am dritten Prozesstag am 11. Mai eine Prozesswende.
Richter Alexander Klein forderte Mandic zu einem Geständnis, einer Wiedergutmachung und der Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen auf. Falls Mandic die gefährliche Körperverletzung auf der Kaiserstuhlbrücke nicht mehr bestreite, käme eine Verurteilung wegen eines minderschweren Falls in Betracht und damit eine erhebliche Reduzierung der Strafe.
Staatsanwalt Florian Rink stimmte grundsätzlich einer Beschränkung der Berufung zu, widersprach aber insbesondere aufgrund der politischen Motivation des Angeklagten der Einschätzung des Richters, dass es sich um einen minderschweren Fall handele. Mandic’ Anwalt Jochen Lober stellte Dubravko Mandic als gealterten Nazi dar, der seine wilde Zeit hinter sich und nun ein Herz für Frau und Kind statt für Gewalt und Hetze habe.
Die Verhandlung wurde unterbrochen, damit ein Deal ausgelotet werden konnte. Nach einer längeren Pause verkündete Mandic’ Anwältin Sylvia Schwaben, dass er mit einer Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen einverstanden sei. Die Verteidigung betonte Mandic’ Angst vor berufsrechtlichen Konsequenzen, denn in der Rechtsanwaltskammer „sitzen ja Leute, die parteipolitisch gefärbt sind“. Später meinte Mandic, vor dem Amtsgericht habe der Geschäftsführer der Freiburger Rechtsanwaltskammer Tilman „Winkler im Publikum gesessen“. Aus dem Anwaltverein ist Mandic schon vor einem Jahr geflogen.
Mandic überwies aus dem Gerichtssaal 3.000 Euro auf das Anderkonto des Nebenklageanwalts, der den Eingang der Zahlung noch während der Verhandlung bestätigte. Statt einer Entschuldigung sagte Mandic, er habe die Gefährlichkeit des Nebenklägers überschätzt und nicht das mildeste Mittel gewählt. Er bejahte die Nachfrage des Richters, ob diese Einlassung als Entschuldigung gewertet werden könne. Daraufhin wurden die beiden geladenen linken ZeugInnen sowie der ebenfalls geladene Täter Robert Hagerman unverhört entlassen.
Im zweiten Teil des Prozesstages ging es um die erstinstanzliche Verurteilung wegen der Fotomontage des Nürnberger Prozess-Fotos, die Mandic auf Facebook hochgeladen hatte. Strafantrag gestellt hatten Claudia Roth, Cem Özdemir, Joschka Fischer, Ralf Stegner und Anton Hofreiter, deren Köpfe Mandic in ein Foto der Hauptkriegsverbrecher eingefügt hatte. Alle fünf PolitikerInnen waren vom Richter schriftlich gefragt worden, wann sie von Mandic’ Posting erfahren hatten. Claudia Roth wurde tatsächlich frühzeitig von Followern auf die Fotomontage aufmerksam gemacht, alle anderen konnten sich nicht erinnern, nur Ralf Stegner gab an, erstmals durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 3. März 2016 von dem Posting erfahren zu haben – ansonsten hätte er schon früher Strafantrag gestellt. Das Verfahren läuft weiter und die Berufung wurde nicht beschränkt.
Anschließend ging es um Mandic’ persönliche Verhältnisse. Er hatte eine alte Steuererklärung von 2019 über 34.000 Euro netto vorgelegt, aber machte keine Angaben zu „relevantem Vermögen“. Er wohne zur Zeit mit Frau und Kind noch in Freiburg-Hochdorf, ein Umzug sei aber geplant. In seiner Kanzlei beschäftige er zwei studentische Mitarbeiter und zwei Auszubildende zu Rechtsanwaltfachangestellten. Wenig verwunderlich versuchte Mandic sich arm zu reden, was ihm der Richter aber dank eigener Recherchen nicht abnahm.
Das Standardvorgehen von Nazis vor Gericht ist entweder den Aussteiger oder den Zurückgezogenen zu mimen. Mandic hält „nichts von Distanzierungen“ und so verlegte er sich auf einen fiktiven Rückzug aus dem politischen Leben. „Er wolle aber seine Meinung nicht mehr so stark nach außen tragen. Dass er seit einiger Zeit eine Art politischen Blog betreibt, erwähnte er dabei lieber nicht.“ schreibt die Badische Zeitung über den Wordpress-Blog „Freiburger Standard“, für den Mandic presserechtlich verantwortlich ist.
Auch ansonsten hat Mandic vor Gericht gelogen, denn er hat mitnichten seine Aktivitäten eingestellt: Am 2. Juli 2022 plant er einen Vortrag bei einem „Burschenschaftlichen Abend“ auf dem Haus der Naziburschenschaft „Danubia München“. Auch ist er im April 2021 nicht aus freien Stücken aus der AfD ausgetreten, sondern mit seinem Austritt einem laufenden Parteiausschlussverfahren zuvorgekommen. Am 13. Juni 2021 kehrte Dubravko Mandic mit Robert Hagerman zum Tatort zurück, um Betroffene und ZeugInnen von Hagermans Messerangriff am Vortag einzuschüchtern. Mandic verteidigt nicht nur Nazis, was nach demokratischer Lesart ein Beitrag zur Rechtspflege ist, er lässt sich auch von Nazis verteidigen. So geschehen Ende Oktober 2021 in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Maskenverweigerung. Mandic’ Anwältin: Nicole Schneiders. Im Februar 2022 veröffentlichte Mandic einen „Leitfaden für Spaziergänger und Versammlungsteilnehmer“ auf der Naziseite „Sicherheitshinweise für Nationalisten“.
Und sein Stadtratsmandat hat Mandic auch nur unter Druck abgegeben. Im März 2022 warf Detlef Huber ihn aus der AfD-Gruppe im Freiburger Gemeinderat wegen „unüberbrückbarer organisatorischer und stilistischer Differenzen“. Letzteres ist nachvollziehbar, aber organisatorisch nehmen sich beide nicht viel. Die beiden Stadtratsnazis hatten den Widerstand gegen die Erhöhung der Freiburger Parkgebühren zu ihrem Herzensthema erkoren. Aber ausgerechnet bei der entscheidenden Sitzung am 14. Dezember 2021 fehlten beide: Ihre Stimmen hätten die Parkgebühren verhindert.